Berlin. Noch vor der Krönung kommt der Monarch zu Besuch – mit klarem Auftrag: Er soll helfen, Großbritanniens ramponierten Ruf zu polieren.

  • König Charles und Camilla sind in Berlin gelandet
  • Drei Tage lang ist das Königspaar in Deutschland unterwegs
  • Die politischen Hintergründe

Eigentlich wollte der britische König Charles III. in der ersten Wochenhälfte in Frankreich sein. Diese Reise fällt wegen der heftigen Rentenproteste im Nachbarland aber erst einmal aus. Nach Deutschland kommt der Monarch an diesem Mittwoch jedoch wie geplant. Gemeinsam mit Gemahlin Camilla wird er bis einschließlich Freitag Berlin, Brandenburg und Hamburg besuchen.

Wie immer bei solchen Besuchen wird es sehr feierlich und pompös zugehen. Aber nicht nur: Obwohl britische Monarchen keine unmittelbare Macht haben, ist Charles‘ Besuch in Deutschland hochpolitisch. Geplant ist nicht weniger als ein feierlicher Neustart in den deutsch-britischen Beziehungen, die im Zuge des Brexit arg gelitten hatten. Ein Überblick.

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Der Zeitpunkt des Besuches:

Charles ist seit dem 8. September 2022 Staatsoberhaupt des Vereinigten Königreichs. An diesem Tag verstarb seine Mutter, Königin Elizabeth II. Im eigenen Land war Charles in seiner neuen Funktion schon viel unterwegs. Ins Ausland ist er aber noch nicht gefahren. Der Umstand, dass ihn seine erste Auslandsreise als König auf das europäische Festland und nicht in ein Land des Commonwealth führt, ist eine besondere Geste an die europäischen Partner.

Da der Frankreich-Teil der Reise verschoben wurde, wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Monarchen jetzt gewissermaßen stellvertretend für alle Europäer empfangen. Steinmeier sagt: „Ich weiß diesen Staatsbesuch umso mehr zu schätzen, als der König sich entschlossen hat, noch vor seiner Krönung zu uns nach Deutschland zu kommen.“ Charles‘ Krönung ist für den 6. Mai geplant. Der Deutschland-Besuch beginnt am 29. März – auf den Tag genau sechs Jahre, nachdem Großbritannien seinen Austritt aus der Europäischen Union beantragt hatte.

Der politische Kontext:

Seit dem 31. Januar 2020 ist das Vereinigte Königreich kein EU-Mitglied mehr. Das Verhältnis zu den europäischen Partnern war seitdem ausgesprochen schlecht: In Großbritannien wechselten in rascher Folge die Regierungen. Brexit, Pandemie und Inflation stürzten das Land in eine tiefe Krise. Bis vor kurzem stritten die Briten mit der Europäischen Union über den Status der britischen Provinz Nordirland im EU-Binnenmarkt. Diesen Konflikt konnten beide Seiten erst Ende Februar mit dem sogenannten Windsor-Protokoll beilegen.

Der Berliner Politologe und Großbritannien-Experte Roderick Parkes sagt, die Glaubwürdigkeit der britischen Politik habe in Europa in den vergangenen Jahren sehr gelitten – und die amtierende Regierung von Premier Rishi Sunak sei sich dessen bewusst. In dieser Situation werde jetzt gezielt Charles‘ Staatsbesuch arrangiert. Eigentlich könne Sunak nur über den König ein positives Zeichen setzen, sagt der Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. „Es ist nur über diese Kanäle möglich.“

Charles, der enge Bindungen zu Deutschland hat, lasse sich freiwillig einspannen von der Regierung, um das Verhältnis zu den Europäern zu reparieren. „Das ist vielleicht auch die letzte Chance“, vermutet Parkes. Man muss wissen, dass britische Monarchen niemals aus eigenem Antrieb ins Ausland reisen – sondern stets nach Beratung und Rücksprache mit der Regierung. Die Krone ist ein wichtiges Instrument britischer „Soft Power“: London nutzt die Ausstrahlung und die weltweite Popularität des Königshauses, um außenpolitische Ziele zu erreichen.

Der Empfang des Gastes:

Selbstverständlich kommt Charles nicht als Bittsteller. Vielmehr haben auch die Deutschen und die Europäer insgesamt ein überragendes Interesse daran, dass sich das Verhältnis zum Nato-Partner Großbritannien normalisiert und das Land seine Krise so schnell wie möglich überwindet. Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine kann sich der Westen Konflikte im eigenen Lager nicht leisten. Großbritannien und Deutschland sind nach den USA die wichtigsten Unterstützer der Ukrainer.

Das Programm des königlichen Besuchs entstand in enger Abstimmung zwischen den deutschen und britischen Stellen. Gleich zu Beginn lässt Deutschland dem Monarchen eine besondere Ehre zuteilwerden: Nach der Landung am Berliner Flughafen empfängt Bundespräsident Steinmeier den Gast am Mittwoch mit militärischen Ehren – und zwar nicht wie üblich an seinem Dienstsitz, dem Berliner Schloss Bellevue. Sondern auf dem Pariser Platz am Brandenburger Tor. Das hat es bislang noch nicht gegeben.

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Das Brandenburger Tor ist nicht nur ein Wahrzeichen der Hauptstadt, sondern auch ein Symbol für die Einheit Deutschlands und Europas. Mit dem Empfang am historischen Ort wird so eine befreundete Nation gewürdigt und an die konstruktive Rolle erinnert, die Großbritannien bei der deutschen Wiedervereinigung spielte. Westlich des Tores begann einst der britische Sektor von Berlin. Vom Tor aus kann man gut das Reichstagsgebäude sehen, den Sitz des Deutschen Bundestags. Auch dieses Gebäude verbindet Deutsche und Briten: Der britische Star-Architekt Norman Foster baute es in den 1990er Jahren im Auftrag des Bundes um und versah es mit der charakteristischen Glaskuppel.

König Charles III. 1995, damals noch als Prinz zu Besuch in Stralsund mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommerns Berndt Seite (r) und dem früheren Oberbürgermeister Harald Lastovka (l).
König Charles III. 1995, damals noch als Prinz zu Besuch in Stralsund mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommerns Berndt Seite (r) und dem früheren Oberbürgermeister Harald Lastovka (l). © picture-alliance / dpa | Stefan Sauer

Das Programm des Besuchs:

Die verschiedenen Stationen der Reise sollen einen Bogen schlagen von der Vergangenheit der deutsch-britischen Beziehungen über deren Gegenwart in die Zukunft. Geplant sind zudem auch ein Treffen des Königs mit Kanzler Olaf Scholz(SPD) und eine Rede des Monarchen vor dem Deutschen Bundestag. Die drei sozialdemokratischen Regierungschefs der beteiligten Bundesländer – Franziska Giffey (Berlin), Dietmar Woidke (Brandenburg) und Peter Tschentscher (Hamburg) – werden ebenfalls mit Charles zusammenkommen.

Der Monarch ist seit Jahrzehnten ein engagierter Umwelt- und Klimaschützer. Der Kampf für die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen ist ein wichtiges Zukunftsthema für Deutschland und Großbritannien. Am Mittwochnachmittag wird es im Schloss Bellevue einen Empfang für zivilgesellschaftliche Akteure aus diesem Bereich geben. Am Donnerstag wird Charles vormittags einen Bauernmarkt in der Hauptstadt besuchen und am Nachmittag das Ökodorf Brodowin in Brandenburg. Am Freitag wird es im Hamburger Hafen um das Thema Nachhaltigkeit und grüne Energien gehen.

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Für die Gegenwart der bilateralen Beziehungen steht ein Besuch im Ankunftszentrum für ukrainische Flüchtlinge in Berlin-Tegel sowie eine Visite beim deutsch-britischen Pionierbrückenbataillons 130 im brandenburgischen Finowfurt. Beides ist für Donnerstag geplant.

Um die Vergangenheit geht es am Freitag in Hamburg: Dort wird Charles nach seiner Ankunft am Bahnhof Dammtor Blumen am Kindertransport-Denkmal niederlegen. Rund 10.000 jüdische Kinder aus Deutschland fanden Ende der 1930er Jahre Schutz in Großbritannien und entkamen so den Gaskammern der Nazis. Geplant ist auch eine Kranzniederlegung am Mahnmal St. Nikolai, dem zentralen Erinnerungsort in der Hansestadt für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft.