Berlin. Zum 1. Januar soll das neue Bürgergeld das Hartz-IV-System ablösen. Doch in der Ampel-Koalition sind entscheidende Punkte umstritten.

  • Das Hartz-IV-System soll mit dem Bürgergeld reformiert werden
  • Doch um entscheidende Punkte gibt es Ärger in der Ampel-Koalition
  • Bis zur geplanten Einführung im kommenden Jahr müssen noch zentrale Streitfragen geklärt werden

Das Versprechen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) steht: Das neue Bürgergeld soll „definitiv“ zum 1. Januar kommen. Mit dem Bürgergeld will die Ampel-Koalition das bisherige Hartz-IV-System ersetzen – so ist es im Koalitionsvertrag vereinbart. Über wichtige Punkte der neuen Hilfe für Langzeitarbeitslose gibt es allerdings noch keine Verständigung. Die FDP widerspricht in entscheidenden Punkten den Vorschlägen von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD).

Scholz gab das Versprechen der zügigen Einführung des Bürgergelds zusammen mit der Ankündigung ab, angesichts der hohen Preissteigerungen insbesondere für Energie auch weitere Entlastungen auf den Weg zu bringen. „Das ist die Grundlage dafür, dass wir eine substanzielle Entlastung derjenigen, die am wenigsten haben, zustande bringen“, sagte der Kanzler kürzlich. Der Druck, rechtzeitig für eine Umsetzung zum 1. Januar eine Einigung zu erzielen, ist somit hoch.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD).
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). © dpa | Christoph Soeder

1. Bürgergeld statt Hartz IV: So soll es funktionieren

Das Bürgergeld soll das bisherige Hartz-IV-System (Arbeitslosengeld II) ablösen. Die Kernpunkte der Reformvorschläge von Arbeitsminister Heil sind, dass Sanktionen gegen Bezieher der Leistung erst nach einer sechsmonatigen Vertrauenszeit verhängt werden können, wenn diese ihren Verpflichtungen nicht nachkommen. Auch danach sollen die Auflagen weniger streng sein als bisher.

Heil will zudem die Regelsätze erhöhen und dafür auch die Berechnungsgrundlage ändern, um angesichts der rasanten Preissteigerungen die Auswirkungen der Inflation einzubeziehen. Zudem sollen Arbeitslose mehr Vermögen behalten dürfen, wenn sie Sozialleistungen in Anspruch nehmen.

2. Sanktionen beim Bürgergeld: Ein Knackpunkt in der Koalition

Die Grünen unterstützen die Reformvorschläge des Arbeitsministers weitgehend und möchte allenfalls Details ändern. Die FDP hat allerdings grundlegende Bedenken, wie der Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner im Interview mit unserer Redaktion klarstellte.

Einerseits wandte sich Lindner gegen eine Lockerung der Sanktionen. „Ich sehe das aus den Augen derjenigen, die jeden Tag arbeiten und trotzdem jeden Euro umdrehen müssen“, sagte der FDP-Politiker. „Diese Menschen könnten nicht verstehen, dass sie mit ihren Steuern nicht nur Bedürftige unterstützen sollen, sondern auch jene, die vorsätzlich Termine nicht wahrnehmen oder angebotene Bildung und Arbeit ablehnen.“

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP).
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). © AFP | Christian Spicker

3. Regelsätze des Bürgergeldes: Widerstand der FDP

Die Hartz-IV-Regelsätze sollen sowieso zum 1. Januar erhöht werden. Dagegen sperrt sich die FDP nicht. Vorbehalte hat die Partei aber gegen die Pläne von Arbeitsminister Heil, die Berechnungsgrundlage zu ändern, wodurch sich die Zahlung noch einmal erhöhen würde. „Es gibt ein bewährtes Verfahren, nach dem die Regelsätze an Preis- und Gehaltsentwicklung angepasst werden. Daran sollten wir festhalten“, sagte Lindner dazu. „Dies wird bereits zu einer Erhöhung führen.“

Dem FDP-Vorsitzenden gehen die Vorschläge von Heil zu weit: „Das Bürgergeld soll eine Aktivierung sein und kein bedingungsloses Grundeinkommen.“

Derzeit liegt der Hartz-IV-Regelsatz für einen alleinstehenden Erwachsenen bei 449 Euro pro Monat. Heil will erreichen, dass die Regelsätze im Bürgergeld pro Person und Monat in etwa um 40 bis 50 Euro steigen. Den genauen Satz will der Minister erst im September nennen, da er noch neue Berechnungen zur Entwicklung der Inflation abwarten will.

Heil kritisiert, dass die bisherige Berechnungsmethode der dramatischen Preisentwicklung hinterherhinkt. Dies will er ändern. Sozialverbände halten die von Heil angestrebte Erhöhung aber immer noch zu gering, so fordert etwa der Sozialverband Deutschland eine Anhebung von 449 Euro auf mindestens 650 Euro.

4. Zuverdienst: FDP will die Grenzen anheben


Der FDP-Sozialexperte Johannes Vogel betont, die Grundsicherung müsse "aufstiegs- und chancenorientierter" werden. Deswegen sollten die Betroffenen mehr Geld hinzuverdienen dürfen als bisher.

Die Pläne von Heil sehen bereits vor, in einem ersten Schritt die Zuverdienstgrenzen für Auszubildende sowie Schüler- und Studentenjobs anzuheben. "Die Zuverdienstregeln, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, auch bei den Erwachsenen endlich zu reformieren, muss ein zentraler Baustein der Bürgergeld-Reform sein", sagte Vogel unserer Redaktion.

"Denn wenn man Menschen in der Grundsicherung das schrittweise Wieder-Rein-Wachsen in den Arbeitsmarkt möglichst demotivierend ausgestalten will, muss man die Zuverdienstregeln so gestalten, wie sie heute sind - absurd."


Ein "entscheidender Hebel" des neuen Bürgergeldes sind aus Sicht des FDP-Politikers die neuen Möglichkeiten zum Nachholen von Qualifikationen. "So können wir Zeiten der Bedürftigkeit dafür nutzen, etwa Berufsausbildungen nachzuholen", sagte Vogel. Dies sei auch mit Blick auf den Fachkräftemangel wichtig.

Dieser Artikel erschien zuerst bei morgenpost.de.