Berlin. Die Union will verfassungsrechtlich gegen die Wahlrechtsreform vorgehen – und könnte damit laut Rechtswissenschaftler etwas bewirken.

Am Freitag hat der Bundestag die umstrittene Wahlrechtsreform der Ampel-Koalition beschlossen. Bei der Abstimmung sprachen sich 399 Parlamentarierinnen und Parlamentarier für die Änderung aus, 261 dagegen. 23 Abgeordnete enthielten sich. Insbesondere von der CSU und der Linken gibt es Kritik an der Reform. Beide Parteien sehen ihre Existenz im Parlament bedroht und kündigten an, verfassungsrechtliche Schritte einzuleiten.

Mit der Wahlrechtsreform will die Ampel den immer größer werdenden Bundestag wieder verkleinern. Dafür sollen sowohl die Überhang- und Ausgleichsmandate als auch die sogenannte Grundmandatsklausel abgeschafft werden. Diese hatte bisher besagt, dass Parteien auch dann in den Bundestag einziehen können, wenn sie zwar nicht mehr als fünf Prozent der Stimmen, aber mindestens drei Direktmandate erhalten haben.

Kurz nach der Abstimmung im Bundestag am Freitag erklärte Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU), mit einer sogenannten Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht gegen die Wahlrechtsreform vorgehen zu wollen. Dabei prüft das Verfassungsgericht die Vereinbarkeit der neuen gesetzlichen Regelung mit dem Grundgesetz. Merz kündigte an, den Vorschlag seiner Fraktion zu unterbreiten.

Wahlrechtsreform laut Verfassungsrechtler problematisch

Tatsächlich hätte eine solche Normenkontrollklage laut Verfassungsrechtler Bernd Grzeszick durchaus Aussichten auf Erfolg. "In der heute verabschiedeten Form ist das Wahlrecht nach ganz überwiegender Ansicht von Sachverständigen verfassungsrechtlich problematisch", sagte der Rechtswissenschaftler dieser Redaktion.

Dabei sehe er zwei Punkte als verfassungsrechtlich kritisch an: "Zum einen die Beschneidung der Bedeutung der Wahlkreise mit der Möglichkeit, dass Wahlkreissieger kein Mandat erhalten und der Wahlkreis verwaist bleibt. Zum anderen der Wegfall der Grundmandatsklausel." Damit würden sowohl die Linke als auch die CSU in ihrer parlamentarischen Existenz bedroht und es bestehe die Möglichkeit, dass Bayern im Bundestag "massiv unterrepräsentiert" sei, sagte Grzeszick.

Eine verfassungskonforme Lösung würde laut Grzeszick hingegen darin bestehen, dass bisher geltende Wahlrecht "durch eine stärkere förderale Verrechnung zwischen den Landeslisten und eine Zulassung von bis zu 15 unausgeglichenen Überhangmandaten" weiterzuentwickeln. Alternativ könnten Wahlkreiswahl und Listenwahl getrennt, der Anteil der Listenmandate erhöht und eine Stichwahl für Wahlkreise eingeführt werden, die unterhalb einer bestimmten Mehrheit des Siegers im Wahlkreis lägen, so Grzeszick.