Berlin. Wirtschaftsminister Habeck hat Bedenken, Finanzminister Lindner nicht: Diese Folgen hat die Uniper-Verstaatlichung für die Gasumlage.

Es ist die größte Verstaatlichung in der Geschichte der Bundesrepublik: Um einen Zusammenbruch des Energiekonzerns zu verhindern, übernimmt die Bundesregierung das Düsseldorfer Unternehmen Uniper. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erklärte am Mittwoch, Deutschland werde bald 99 Prozent der Anteile von Uniper halten, mit einer Kapitalerhöhung von acht Milliarden Euro und rund 500 Millionen Euro, die Deutschland für die Anteile des finnischen Konzerns Fortum zahlt.

In Schieflage geraten war Uniper, weil es als größter deutscher Gasimporteur vor allem in Russland Gas besorgt hatte. Rund die Hälfte seines Portfolios hatte das Unternehmen dort eingekauft. Als Wladimir Putindie Lieferungen nach Deutschland stoppte, musste Uniper kurzfristig nachkaufen – zu inzwischen rasant gestiegenen Preise. Weil die Kunden – darunter mehr als 100 Stadtwerke in Deutschland – aber vertraglich niedrigere Preise zahlen, blieb Uniper auf den Mehrkosten sitzen, und machte jeden Tag hohe Verluste.

Schon im Juli hatte der Bund dem Konzern deshalb mit einem Rettungspaket unter die Arme gegriffen und war mit 30 Prozent bei Uniper eingestiegen. Seitdem habe sich die Situation aber noch „deutlich verändert, ja verschärft“ sagte Habeck, die Gaspreise seien noch weiter gestiegen. Deshalb sei die Verstaatlichung notwendig geworden.

Das Wirtschaftsministerium hat verfassungsrechtliche Bedenken

Auch die umstrittene Gasumlage ist dazu gedacht, strauchelnde Importeure wie Uniper zu stützen. Und obwohl das Unternehmen bald dem Bund gehören soll: An der Umlage will die Bundesregierung trotzdem festhalten. Dabei hat das Wirtschaftsministerium selbst inzwischen Bedenken, ob die sich mit der Verstaatlichung des Energiekonzerns finanzverfassungsrechtlich vereinbaren lässt.

Man warte auf das Ergebnis einer Prüfung aus dem Bundesfinanzministerium, ob „die Gefahr der Verfassungswidrigkeit besteht, wenn die Hauptprofiteure der Umlage in staatlicher Hand sein sollten“. Sollte das Finanzministerium zu dem Schluss kommen, dass es verfassungsrechtliche Hürden gibt, werde die Umlage lediglich eine „Brücke“ bis zur Verstaatlichung Unipers darstellen, sagte Habeck am Mittwoch. Der Grünen-Politiker rechnet damit, dass bis dahin etwa drei Monate vergehen.

Der Bundesfinanzminister allerdings betrachtet die Frage als erledigt: Christian Lindner (FDP) sagte am Mittwoch in Berlin, die Prüfung sei abgeschlossen.

Für Verbraucherinnen und Verbraucher, die mit Gas heizen, heißt das wie bisher: Ab dem 1. Oktober kommen 2,4 Cent pro Kilowattstunde auf den Gaspreis drauf. Diese Höhe der Umlage gilt zunächst für ein Vierteljahr und kann später angepasst werden.

Gasumlage: Habeck will „Trittbrettfahrer“ ausschließen

Den Kreis der Unternehmen, die von der Umlage profitieren können, will das Wirtschaftsministerium allerdings deutlich enger fassen als ursprünglich vorgesehen: Am Mittwoch übersandte Habecks Haus einen Vorschlag für eine Anpassung der Regelung an die anderen Ministerien, mit der „Trittbrettfahrer“ – also Unternehmen, die nicht auf das Geld angewiesen sind – ausgeschlossen werden sollen. Die entsprechende Änderung des Energiesicherungsgesetzes soll schon in der kommenden Woche im Kabinett beschlossen werden.

Doch der Druck auf den Wirtschaftsminister steigt, die von Anfang an umstrittene Umlage sofort abzuschaffen. Aus der Union waren am Mittwoch zahlreiche Stimmen zu hören, die einen sofortigen Stopp der Umlage forderten. Dass Bürger und Betriebe eine Umlage zahlen sollten für ein De-facto-Staatsunternehmen, sei „weder rechtlich haltbar noch vermittelbar“, sagte Gitta Connemann, Bundesvorsitzende der Mittelstandsunion, dieser Redaktion. Ähnlich klang das bei vielen Parteifreunden der CDU-Politikerin.

Opposition und Verbraucherschützer fordern Ende der Umlage

Und auch in der Koalition und in Habecks eigener Partei wachsen längst die Zweifel, ob die Regierung an dem Instrument festhalten sollte. Durch die Verstaatlichung liege eine neue Situation vor, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast. „Deshalb muss man sich noch einmal die Frage stellen: Passt es zusammen, dass wir eine Gasumlage machen, und einer der Hauptprofiteure ist dann ein staatliches Unternehmen?“

Die Grüne Jugend hat ihre Antwort auf diese Frage bereits gefunden: „Es bestätigt sich, dass sie das falsche Instrument ist“, sagte Sarah-Lee Heinrich, Bundessprecherin der Grünen Jugend, über die Gasumlage. Die Verantwortung dafür, Alternativen möglich zu machen, sieht sie bei Bundesfinanzminister Christian Lindner.

Fiele die Umlage weg, müsste das Geld für die Beschaffung von Ersatz für russisches Gas aus anderen Quellen kommen - zum Beispiel aus dem Bundeshaushalt. Dafür plädiert etwa Ramona Pop, Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbands. Durch die Verstaatlichung von Uniper entfalle einer der wichtigsten Gründe für die Umlage. Die Bundesregierung solle den Verbrauchern und Verbraucherinnen keine zusätzlichen Kosten aufbürden, sagte die Verbraucherschützerin. „Die höheren Beschaffungskosten für Energieversorger sollten stattdessen aus Steuermitteln getragen werden.“

Der Bund der Steuerzahler fordert schnell Klarheit über die Zukunft der Umlage. Hier gebe es viele offene Fragen, sagte Präsident Reiner Holznage. „Keine Fragen aufkommen lassen darf die Bundesregierung bei der beschlossenen Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas“, sagte er. Die müsse in jedem Fall bleiben.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.