Berlin. Nachfolge fürs 9-Euro-Ticket, Strompreisbremse und Einmalzahlungen: Die Koalition hat ein neues Entlastungspaket auf den Weg gebracht.

  • Nach einer langen Nacht stand endlich das dritte Entlastungspaket
  • Die Ampel-Koalition hat sich auf Entlastungen für Rentner, Hartz-IV-Empfänger geeinigt: Dazu gibt es mehr Geld für Familien
  • Auch eine Nachfolge-Regelung für das 9-Euro-Ticket wurde gefunden: Hier finden Sie alle Maßnahmen im Überblick

Die Ampel-Koalition hat ein drittes Entlastungspaket auf den Weg gebracht. Am Sonntag stellten Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundesfinanzminister Christian Lindner, SPD-Chefin Saskia Esken sowie Grünen-Chef Omid Nouripour die Details des Pakets vor. Demnach beinhaltet das dritte Entlastungspaket der Bundesregierung ein Gesamtvolumen von mehr als 65 Milliarden Euro. Dies sei mehr als die ersten beiden Entlastungspakete zusammen, betonte Scholz. Hier sind die wichtigsten Details im Überblick:

Rente und Entlastungspaket: Was kommt für Rentnerinnen und Rentner?

Rentnerinnen und Rentner sollen zum 1. Dezember eine einmalige Energiepreispauschale von 300 Euro zusätzlich zu ihrer Rente erhalten. Auch Studierende und Auszubildende sollen einmalig 200 Euro bekommen. Für Berufstätige war bereits zuvor eine Energiepreispauschale von 300 Euro auf den Weg gebracht worden.

Strompreise: Das sieht das Entlastungspaket vor

Für einen gewissen Basisverbrauch an Strom soll nach dem Willen der Ampel-Koalition künftig ein vergünstigter Preis gelten. Für einen zusätzlichen Verbrauch darüber hinaus wäre der Preis von Strom nicht begrenzt.

Zufallsgewinne von Unternehmen sollen nicht mehr anfallen oder vom Staat abgeschöpft werden – in Form einer Übergewinnsteuer. Dies habe die Bundesregierung in Absprache mit der Europäischen Union vereinbart, sagte Bundeskanzler Scholz. Es werde ein Maximalpreis für Stromproduzenten festgesetzt, der für die Energieerzeuger außerhalb der Gasbranche gelte. Die abgeschöpften Gewinne würden den Bürgerinnen und Bürgern zugutekommen, versprach Scholz – "damit die Preise sinken".

Bundesfinanzminister Lindner ergänzte: "Je höher der Strompreis, desto höher das Entlastungsvolumen. Lesen Sie hier den Kommentar: Entlastungspaket und Milliardenhilfen – die Ampel klotzt!

Schutz vor Stromsperren

Verbraucher, die ihre Rechnungen für Strom, Gas oder Miete nicht bezahlen können, sollen vor dem Abschalten der Energieversorgung geschützt werden.

Hartz IV: Was ändert sich für Bedürftige durch das Entlastungspaket?

Die Hartz-IV-Zahlungen wird ab Januar durch ein Bürgergeld ersetzt. Alle Bürgergeld-Empfänger sollen rund 500 Euro im Monat erhalten – und damit mehr als der aktuelle Regelsatz von Hartz IV mit 449 Euro für Alleinstehende ohne Kinder. Zudem gibt es einen Paradigmenwechsel. Künftig wird die Aufstockung der Bezüge daran gemessen, wie sich die Inflationsrate im nächsten Jahr entwickelt und nicht mehr rückwirkend nachgebessert.

Lesen Sie hier ausführlicher: Hartz IV: Diese Änderungen kommen mit dem Entlastungspaket

Zuschuss für Empfänger von Wohngeld

Wohngeldberechtigte sollen einen zusätzlichen einmaligen Heizkostenzuschuss von 415 Euro erhalten, für Zwei-Personen-Haushalte sind es 540 Euro und für jede weitere Person zusätzlich 100 Euro. Zudem soll das Wohngeld grundsätzlich zum 1. Januar reformiert werden. Damit werde die Zahl der Wohngeldempfänger von heute 700.000 auf 2 Millionen Bezugsberechtigte steigen. Die Zahlung soll dauerhaft eine Heizkosten- und Klimakomponente enthalten.

Entlastungspaket: Geringverdiener in Midi-Jobs

Geringverdienende werden bei den Sozialversicherungsabgaben stärker entlastet. Die Bemessungsgrenze für sogenannte "Midi-Jobs" wird ab Oktober von 1300 Euro auf 1600 Euro angehoben. Im Januar soll die Grenze weiter auf 2000 Euro steigen. Damit haben die Betroffenen mehr netto vom brutto in der Tasche und erhalten insgesamt rund 1,3 Milliarde Euro mehr.

Kindergeld: Familien sollen vom Entlastungspaket profitieren

Familien sollen deutlich entlastet werden. Das Kindergeld soll mit dem neuen Entlastungspaket monatlich um 18 Euro für das erste und zweite Kind steigen. Der neue Satz des Kindergeldes soll ab Jahresbeginn gelten.

Der Koalitionsausschuss um Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, 2.v.l.) stellt die Verhandlungsergebnisse vor.
Der Koalitionsausschuss um Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, 2.v.l.) stellt die Verhandlungsergebnisse vor. © Michael Kappeler/dpa

Steuerliche Entlastung: Einkünfte bis zu 2000 Euro bleiben steuerfrei

Alle Einkünfte bis 2000 Euro pro Monat sollen ab 2023 steuerfrei sein, teilte Scholz mit. Dies sei mehr als eine Milliarde Euro an Entlastungen. Alle Rentenbeiträge werden von steuerpflichtigen Einkommen abziehbar sein, sagte Scholz.

Lohnzuschüsse: 3000 Euro steuerfrei

Wenn Arbeitgeber ihren Beschäftigten wegen der gegenwärtigen Inflation zusätzlich neben dem Gehalt eine Summe auszahlen, dann bleibt dieser Betrag bis 3000 Euro steuer- und abgabenfrei. Wenn dies in Deutschland millionenfach geschehen würde, wäre dies nicht nur ein Zeichen großer Solidarität, "des sich Unterhakens", wie es Scholz nennt, sondern würde gerade für kleine und mittlere Verdienende eine große Hilfe sein.

Homeoffice bleibt absetzbar

Wer im Homeoffice arbeitet, kann die Kosten dafür auch künftig pauschal 5 Euro täglich oder maximal 600 Euro jährlich bei der Steuer geltend machen. Zudem wird der Arbeitnehmerpausbetrag um 200 Euro auf 1200 Euro angehoben. "Der Papierkrieg gehört" laut Finanzministre Lindner damit "der Vergangenheit an".

9-Euro-Ticket: Was kommt danach?

Die Spitzen von SPD, Grünen und FDP haben sich ebenfalls auf eine Nachfolgeregelung für das 9-Euro-Ticket geeinigt. Zumindest werde der Bund 1,5 Milliarden Euro zu einem solchen Projekt zuschießen, sagte Olaf Scholz. Im Beschlusspapier des Koalitionsausschusses ist die Rede von einer Preisspanne zwischen 49 und 69 Euro im Monat für ein neues bundesweit gültiges Nahverkehrsticket. Grünen-Chef Nouripour sprach sich dafür aus, "dass wir bei einem Deutschland-Ticket bei Preisen um die 49 Euro landen werden". Die Länder müssen der Finanzierung noch zustimmen. Finanzminister Lindner kündigte an, das Ticket werde als digitales Abo verfügbar sein.

Um die Folgen der hohen Preissteigerungen insbesondere für Energie abzudämpfen, hatte die Regierung bereits zwei Entlastungspakete im Umfang von rund 30 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Lesen Sie auch: Kommentar: Das dritte Entlastungspaket muss für Beruhigung sorgen

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Restaurantbesuche sollen bezahlbar bleiben

Essen gehen soll finanzierbar bleiben. Die gesenkte Mehrwertsteuer auf 7 Prozent in der Gastronomie für Speisen und Getränke wird verlängert. Eigentlich sollte sie Ende September wegfallen.

Zufallsgewinne im Strommarkt abgeben

Nicht nur Gasproduzenten, auch Stromhersteller verdienen derzeit kräftig an den hohen Marktpreisen. Diese Zufallsgewinne, die im Strommarkt entstehen, will die Regierung im Einklang mit der Europäischen Kommission künftig abschöpfen und zur Entlastung der Bürger einsetzen. Diese fallen derzeit auch bei Solar-, Wind- und Atomenergie an. Scholz bezeichnet dies als eine "Art EEG-Umlage mit umgekehrten Vorzeichen". Lindner beziffert dies Zufallsgewinne auf einen "zweistelligen Milliardenbetrag". Mit dem Geld soll der Basisbedarf an Strom für Verbraucher finanziert werden.

Strommarkt: Verschiebung der CO2-Preiserhöhung

Die CO2-Preiserhöhung von derzeit 30 Euro pro Tonne auf 35 Euro wird auf 2024 verschoben. Ursprünglich sollte der Preis für das klimaschädigende Kohlendioxid (C02), das beim Verbrennen von fossilen Kraftstoffen entsteht, bis 2025 auf 55 Euro erhöht werden.

Hilfen für Unternehmen

Unternehmen erhalten Kredithilfen von insgesamt bis zu 100 Milliarden Euro, um ihre erhöhten Energiekosten zu schultern.

Wird die Schuldenbremse ausgesetzt?

Das Entlastungspaket von 65 Milliarden Euro kann aus dem bisherigen Haushalt für 2022/23 finanziert werden, sagte Lindner. Ein Nachtragshaushalt sei nicht notwendig.

Entlastungspaket: Deutliche Kritik von Sozialverband und Kommunen

Der Sozialverband Deutschland (SoVD) zieht eine kritische Bilanz der neuen Entlastungspakets. "Der Energiekostenzuschuss für Rentnerinnen und Rentner war überfällig. Die einmalige Entlastung reicht aber nicht aus", sagte die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier dieser Redaktion. "Das muss verstetigt werden."

Der kurzfristige Heizkostenzuschuss im Wohngeld helfe sehr und auch die angekündigte Wohngeldreform sein ein richtiger Schritt. "Was fehlt ist eine schnelle Hilfe für Menschen mit kleinen Einkommen, die kein Wohngeld bekommen", sagte Engelmeier. "Da reichen die 300 Euro nicht." Es brauche ein Inflationsgeld für Menschen mit geringem Einkommen. "Und was völlig fehlt ist ein fairer Beitrag von Spitzenverdienern zur Finanzierung."

Die Energiepreise steigen. Den Verbrauch im Blick zu halten, ist wichtiger denn je. (Symbolfoto)
Die Energiepreise steigen. Den Verbrauch im Blick zu halten, ist wichtiger denn je. (Symbolfoto) © dpa | Uli Deck

Auch der Städte- und Gemeindebund hat das neue Hilfspaket der Ampelregierung begrüßt, aber weitere Entlastungen angemahnt. "Es ist gut, dass nun auch Rentnerinnen und Rentner sowie Studierende durch Einmalzahlungen entlastet werden", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg unserer Redaktion. "Auch die geplante Deckelung des Strompreises für den Basisverbrauch wird dazu beitragen, den derzeit nahezu ungebremsten Anstieg der Energiepreise abzufedern." Wichtig sei allerdings, dass die Regierung "auch Schritte plant, um die Unternehmen zu unterstützen, die durch die derzeitige Situation in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind", fügte er hinzu. "Es ist wichtig, ihre Handlungsfähigkeit zu sichern."

Die geplante Fortführung eines einheitlichen vergünstigten ÖPNV-Tickets lobte Landsberg als richtig und konsequent. "Jetzt wird es auf die Länder ankommen, dies auch umzusetzen und die notwendigen Finanzmittel bereitzustellen." Unverzichtbar bleibe aber auch die nachhaltige Verstärkung der Investitionen in den ÖPNV gerade im ländlichen Raum. Zuvor hatte der Städte- und Gemeindebund die Einführung eines Klimatickets nach österreichischem Vorbild gefordert.

(jdö/mja/bk mit dpa und afp)

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.