Berlin. Die Ersatzfreiheitsstrafe ist ungerecht, trifft Menschen in Armut und bringt dem Staat nichts. Die Sanktion gehört endlich abgeschafft.

Es gibt in Deutschland eine Strafe, die hat sich spezialisiert: auf Menschen ohne Geld, ohne Wohnung, auf Drogensüchtige und Kleinkriminelle. Die Ersatzfreiheitsstrafe greift sich Menschen, die Geldstrafen nicht zahlen können, zu denen sie ein Gericht verurteilt hat. Und steckt sie in Haft.

„Ersatz“ klingt ein wenig harmlos, so als wäre das gar keine „echte“ Bestrafung. Aber diese Menschen sitzen im Knast. Nicht wenige sind es, sondern Studien zufolge jeder Zehnte Inhaftierte in Deutschland. Und dieser Knast macht sie nicht zu besseren Menschen. Im Gegenteil, Gefängnisse verschärfen Lebenslagen vielmehr – und bringen der Gesellschaft selten Besserung.

Ersatzfreiheitsstrafe kostet dem Staat jedes Jahr rund 200 Millionen Euro

Die Bundesregierung halbiert nun die Sätze für die Ersatzfreiheitsstrafe. Das ist richtig – aber nicht richtig genug. Die Ersatzfreiheitsstrafe gehört abgeschafft. Sie trifft einseitig hart sozial Deklassierte, sie verschlimmert die Situation dieser Menschen unverhältnismäßig scharf (sie waren ja nur zu einer Geldstrafe verurteilt) – und sie kostet dem Steuerzahlen jährlich Hunderte Millionen.

Redakteur Christian Unger
Redakteur Christian Unger © Reto Klar | Reto Klar

Schwarzfahren ist verboten. Und natürlich ist es nicht gerecht, wenn ein Mensch, der Dutzende Male schwarzfährt, ohne Strafe davonkommt. Aber wie gerecht ist es, wenn ein Mensch in Haft muss, obwohl er nur zu einer Geldstrafe verurteilt ist. Und wie fair ist es, wenn reiche Beschuldigte sich Top-Anwälte leisten können und so für die gleiche Straftat milder davonkommen als jemand, der sich keine teure Kanzlei an der Seite leisten kann.

Ersatzfreiheitsstrafe ist Ausdruck einer modernen Form der Klassenjustiz

Wie gerecht ist es, dass Wirtschaftskriminelle die Kosten für Strafverteidigung als „Betriebsausgaben“ bei Unternehmen von der Steuer absetzen können. Wie gerecht ist es, dass ein Bettler für sein Bitten um Geld aus Innenstädten vertrieben wird, wenn ein Spendensammler einer Hilfsorganisation ganz legal danebensteht – und dasselbe tut: betteln.

Auch interessant:

Vor dem Gesetz sind alle gleich, heißt es so staatstragend. Dass dem nicht so ist, hat der Journalist Ronen Steinke unlängst in einem ganzen Buch an vielen Fallbeispielen dargelegt. Justiz ist Teil eines Systems, in dem Reiche sich Privilegien erkaufen können. Und in dem Menschen in Armut schneller und härter die Repressionen des Staates spüren. Die Ersatzfreiheitsstrafe ist Ausdruck dieser modernen Form der Klassenjustiz.