Brüssel. In der Ukraine-Krise hat Diplomatie erst wieder eine Chance, wenn Putin von seinen Kriegsplänen Abstand nimmt, meint Christian Kerl.

Westliche Geheimdienste haben sich nicht geirrt: Seit Jahresanfang sagen sie voraus, dass Russland bis Mitte Februar ausreichend Soldaten, Raketen und Panzer an der Grenze zur Ukraine auffahren lässt, um das Nachbarland überfallen und besetzen zu können.

Jetzt ist es so weit, der Krieg könnte jederzeit beginnen. Die internationale Diplomatie hat in der Zwischenzeit wenig erreicht, was ebenfalls zu erwarten war: Wladimir Putins Forderungen nach Sicherheitsgarantien – also einem Nato-Rückzug aus Osteuropa und einer Pufferzone neutraler bis prorussischer Nachbarstaaten – liegen zu weit weg von dem, was der Westen zugestehen kann. Lesen Sie auch: Ukraine – Was will Putin, wer kann ihn noch stoppen?

Christian Kerl, Brüssel-Korrespondent
Christian Kerl, Brüssel-Korrespondent

Ukraine: Kosten eines Krieges wären für Putin hoch

Lösungen sind denkbar, aber nicht so schnell und vor dieser Drohkulisse auszuhandeln. Putin weiß nun immerhin: Die militärischen, politischen und wirtschaftlichen Kosten eines Krieges wären für ihn hoch.

Ob er das Risiko eingeht, werden die nächsten Wochen zeigen. Der US-Präsident hat sich in der ungewissen Lage zur Alarm-Kommunikation entschlossen: Joe Biden möchte verhindern, dass Putin wie bei der Krim-Besetzung das Überraschungsmoment auf seiner Seite hat oder ein Verwirrspiel betreibt. Deshalb die Warnungen. Auch interessant: Ukraine-Krise – Wie teuer wird das Gas im Kriegsfall?

Scholz muss Geschlossenheit des Westens demonstrieren

Aber auch Bidens Geheimdienste wissen nicht sicher, was Putin tun wird. Für Kanzler Olaf Scholz, der am Dienstag nach Moskau reist, ist das eine heikle Situation: Ist er der letzte Gesprächspartner, der Putin noch stoppen kann?

Scholz wird in Moskau keinen Verhandlungserfolg erzielen können. Der Kremlherrscher wartet nur darauf, die westlichen Regierungschefs gegeneinander auszuspielen. Der Kanzler muss Putin deshalb die Geschlossenheit des Westens demonstrieren. Auch von Deutschland ist Abschreckung gefragt. Die Diplomatie hat erst wieder eine echte Chance, wenn Putin von seinen Kriegsplänen Abstand nimmt.

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