Erfurt. Welches Wahlplakat bleibt im Gedächtnis hängen? Diese Frage stellen sich Politiker und Werbeagenturen. Manche finden die Antwort in der Welt der Pop-Musik.

Die ganze Stadt ist zuplakatiert. Wer kann die Köpfe auf den Bildern noch auseinanderhalten? Wer tritt wozu an? Ganz klar im Vorteil sind jene Kandidaten, die sich nicht auf die 08/15-Varianten der Wahlwerbung mit Porträt vor parteitypischer Farbe beschränkt haben. Auffällig in diesem Jahr: Cover von Musik-Platten scheinen reichlich als Ideengeber hergehalten zu haben. Wobei der Ansatz tiefenpsychologisch interessant ist. Werden doch unterschwellig Botschaften gleich mit vermittelt, zudem greift das Hirn der Betrachter auf lang eingestanzte Muster zurück und den Wiedererkennungseffekt.

Andreas Horn wie Phil Collins - ein Mann fürs Team und vorn auf der Bühne

Scharfe Schnitte verwenden Andreas Horn und Phil Collins.
Scharfe Schnitte verwenden Andreas Horn und Phil Collins. © Funke Medien Thüringen | Marco Schmidt

Noch so ein Kandidat, der nicht bestreiten braucht, woher er seine Bildsprache für die Wahlkampagne entliehen hat. Andreas Horn (CDU) bedankt sich bei Superstar Phil Collins. Und will bestimmt gleich zwei Botschaften vermitteln: „Ich bin im Team so gut wie Collins bei „Genesis“ und kann auch solo groß auftrumpfen. Nebenbei gelingt es mir, den Rhythmus vorzugeben, wie Schlagzeuger Phil Collins und auch als Frontmann zu überzeugen.“

Mit ikonischen Covern von Queen auf liberalem Kurs

Queen legte hier das Grundlayout vor.
Queen legte hier das Grundlayout vor. © Funke Medien Thüringen | Marco Schmidt

Absolut keine Zweifel sind bei der FDP angebracht, dass die Partei auf Queen zurückgegriffen hat. Die Liberalen haben auch geschickt das Motiv gewählt, was bei der britischen Band um Ikone Freddie Mercury quasi als Allzweckwaffe galt. Die Anmutung, Porträts vor schwarzem Hintergrund, findet sich bei der Band gleich auf diversen Scheiben. „Queen II“, der „Bohemian Rhapsody“-Single oder auch Best-of-Alben. Wenn das also nicht auch im Wahlkampf zieht?!

Heino und Möller schon in der Farbe vereint

Blau dominiert bei der AfD.
Blau dominiert bei der AfD. © Funke Medien Thüringen | Marco Schmidt

„Ja, so blau, blau, blau blüht der Enzian.“ Alles klar? Da stimmt einfach alles für eine visuelle Partnerschaft! Stefan Möller (AfD) schaut bei Heino ab. Aber natürlich nicht bei den alten Kamellen. Die Album „und Tschüss“ ist modern und dementsprechend auch die Cover-Gestaltung frisch. Der AfD-Kandidat bleibt zwar eher beim konservativen Stil, nimmt aber die Vorgaben spielerisch auf: In weißen Lettern oben steht die wichtigste Botschaft. Wobei Stefan Möller geschickt die Schrift nach vorn schiebt, um die leichten Unterschiede beim Haarschopf zu kaschieren.

Naturverbunden wie Marianne & Michael

Natur und ein sympathischer Auftritt im Doppel.
Natur und ein sympathischer Auftritt im Doppel. © Funke Medien Thüringen | Marco Schmidt

Liebe Grüne der Stadt! Die Überraschung ist gelungen. Was für ein Coup! Das Spitzenteam Laura Wahl und OB-Kandidat David Maicher zeigen sich im Stil von Marianne & Michael. Deren ländliches Idyll versprüht Naturverbundenheit wie die Partei. Natürlich musste aber für den städtischen Wahlkampf ein anderer Hintergrund her. Aber, so darf man vermuten, mit dem Großplakat sprechen Bündnis 90/ Grüne eine Klientel an, an der die Partei schwer rankommt. Die ältere Wählerschaft.

Ausstrahlung und besondere Geste statt Fotografengesicht

Die Plakate der Mehrwertstadt heben sich deutlich ab.
Die Plakate der Mehrwertstadt heben sich deutlich ab. © Funke Medien Thüringen | Marco Schmidt

Auch die einzige Frau, die sich anschickt, Andreas Bausewein den Thron des Oberbürgermeisters streitig zu machen, konnte auf gute Vorlagen zurückgreifen. Und man bemerkt sofort, dass der Horizont von Jana Rötsch (Mehrwertstadt) nicht an den Stadtgrenzen der schönsten Thüringer Landeshauptstadt endet. Milva, die italienische Diva, versprüht Charisma und zieht in den Bann. Mit einem wie auf dem Cover von „la mia età“ allzu sinnlichen Blick wie die junge Milva kann Jana Rötsch natürlich nicht in den Wahlkampf gehen. Da muss es forscher und offener sein. Die Geste mit der Hand bleibt.

Blick in den Plattenschrank vor der Wahl lohnt sich

Wem diese Verbindung zwischen Pop und Politik noch nicht aufgefallen ist, der muss nicht an sich zweifeln. Denn das Gros der Wahlplakate orientiert sich noch an alten Mustern. Farbe, Porträt, Listenplatz. Obwohl allein an den Begriffen ersichtlich ist, welches Potenzial Album-Cover bieten. Und für alle, bei denen es am 26. Mai nicht für einen Spitzenplatz in der Wähler-Hitparade reicht, der sollte beim nächsten Mal zuvor in den Plattenschrank schauen. Mitarbeit Kathleen Kröger

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