Frank Quilitzsch über die Gier und ihre Schwester, die Heuchelei.

Ich will! Ich will! Ich will! So sagt die Ilsebill und schickt ihren Mann, den armen Fischer, immer wieder zum Butt, der ihr alle Wünsche erfüllt: ein Häuschen, ein Schloss, den Königsthron und schließlich den Stuhl des Papstes.

Ich liebe das Märchen „Vom Fischer und seiner Frau“, weil ich Gier nicht ausstehen kann. Dieses, laut Duden, „auf Genuss und Befriedigung, Besitz und Erfüllung von Wünschen gerichtete, heftige, maßlose Verlangen“. Warum strebt, wer schon ein Haus besitzt, noch nach einem zweiten? Warum fischt, wer mit Aktien eine Million an Land gezogen hat, nach weiteren Millionen? Ist in einer Welt, die das goldene Kalb umtanzt, der Genügsame der Dumme?

Ich weiß, wir leben im Kapitalismus. In einem System, in dem es sich, wenn man Geld hat, gut leben lässt. Das aber die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer macht. Trotz aller Solidaritätsbekundungen ist die soziale Ungleichheit während der Pandemie weiter gewachsen.

Da tut es gut, wenn man schnell mal ein paar Schuldige an den Pranger stellen kann: die Maskenmänner. Christliche Bundestagsabgeordnete, die sich an der Not anderer persönlich bereichert haben. Der Rest wäscht sich per „Ehrenerklärung“ rein.

Ach, Ilsebill! Es gibt etwas, das ich noch schlimmer finde als Gier: die Heuchelei. Nehmen wir doch mal die Maske ab. Wem die üppigen Diäten, Pauschalen und Pensionsansprüche nicht reichen, der darf weiter dazuverdienen, und sei es mit Hilfe von Lobbyisten. Ich will, ich will, ich will!

Unsere Ressourcen sind endlich. Eine Gesellschaft, „getrieben von der Sucht nach Mehr, kann nicht überleben“, schreibt der Theologe Friedrich Schorlemmer in seinem Buch „Die Gier und das Glück“. Gier will haben. Glück will sein. Oder wie Anja Siegesmund, unsere grüne Umweltministerin, sagt: „Die Erde bietet genug für jedermanns Bedürfnisse, nicht aber für jedermanns Gier.“