Berlin. Bei “Hart aber fair“ war der scheidende Botschafter Andrij Melnyk zu Gast. Einer der größten Kritiker Deutschlands hatte ein Lob übrig.

Am meisten störte sich Andrij Melnyk bei "Hart aber fair" an dem Eindruck, "als ob wir nicht überleben könnten, wenn die Deutschen heute sagen, ok, das Schicksal der Ukraine ist uns nichts mehr wert."

In seinen Augen war das schon falsch, weil "wir genug Kampfwillen haben, uns selbst zu verteidigen." Man müsse nur die aufgewendeten Summen gegenüberstellen, um das eigentliche Ausmaß der deutschen Unterstützung zu ermessen: 600 Millionen Euro setze die Bundesregierung an Militärhilfen für die Ukraine ein, 65 Milliarden dagegen für das Entlastungspaket – also mehr als das hundertfache für die eigene Bevölkerung.

Das klang – schon wieder – grober als gewollt. Jedenfalls beeilte sich der scheidende Botschafter bei "Hart aber fair" zu versichern, dass er Deutschland diesmal nicht kritisieren wolle. Und dass er die große Herausforderung anerkenne, vor der selbst ein Land mit robuster Wirtschaft "nach fast 40 Jahren ohne Inflation" stehe: "Ich kann die Ängste der Menschen sehr gut nachvollziehen", versicherte er. "Auch bei uns steigen die Energiekosten, und die Wirtschaft ist um 40 Prozent eingebrochen."

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Ausdrücklich lobte er bei seinem vermutlich letzten Talkshow-Auftritt als ukrainischer Botschafter in Deutschland, dass die Bundesrepublik inzwischen modernere und effizientere Waffen liefere als die USA. Nur sollten Waffensysteme an diesem Montagabend eben nicht das Thema von "Hart aber fair" sein, wie Frank Plasberg immer wieder anmahnte. "Der Winter naht, der Krieg wirkt fern: Was ist uns die Freiheit der Ukraine wert?", versuchte er stattdessen in seinem Talk auszuloten.

"Hart aber fair": Diese Gäste waren dabei:

  • Andrij Melnyk, Botschafter der Ukraine in Deutschland
  • Sabine Fischer, Expertin für russische Außen- und Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik
  • Ralf Stegner (SPD), Bundestagsabgeordneter
  • Alexander Graf Lambsdorff (FDP), Außenpolitiker, stellvertretender Fraktionsvorsitzender
  • Anna Lehmann, Leiterin des Parlamentsbüros der Tageszeitung "taz"

Handwerker zur Ukraine: "Das ist nicht unser Krieg"

Im Osten kippt gerade die Stimmung. Das sollte ein Brief der Kreishandwerkskammer Halle-Saale an die Bundesregierung belegen, in dem die sachsen-anhaltinischen Handwerker unmissverständlich klarstellten, dass sie nicht länger bereit seien, ihren "Lebensstandard zu gefährden". "Das ist nicht unser Krieg", begründeten sie.

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Laut einer Umfrage stimmten in den neuen Bundesländern außerdem nur noch 40 Prozent für Russland-Sanktionen. 60 Prozent dagegen schlugen vor, Nord Stream 2 zu öffnen, um die Gas-Notlage zu beenden. "Das sind ja nicht alles Blödis", vermutete Frank Plasberg, und verstand die Zahlen vor allem als "Indikator für Müdigkeit".

"Oder macht es einen Unterschied, ob das Gas aus nur einer oder aus zwei Pipelines nicht fließt?", fragte er zugespitzt. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner winkte gleich ab, und erinnerte daran, dass es "gute Gründe" gegeben habe, das einst "gemeinschaftliche Projekt Nord Stream 2" ein für alle Mal zu beenden.

Ukraine-Krieg: "Schnellstmöglich über Frieden reden"

Auch er las die Umfrage-Ergebnisse als Aufforderung, "die Regierung sollte das mit Putin bald mal regeln". Er befürchte zudem, Rechtsextreme würden die Ängste der Menschen für ihre Zwecke ausnutzen, je länger dieser "hybride Krieg" andauere: "Jetzt schon marschieren sie wieder – zusammen mit den Linken – gegen die steigenden Energiekosten."

Nein, so war das nicht, widersprach Anna Lehmann. Nachdem die Leiterin des Parlamentsbüros der "taz" richtiggestellt hatte, dass an diesem Montag in Leipzig "Rechte und Linke getrennt demonstriert" hatten, stimmte sie Stegners Schlussforderung aber grundsätzlich zu. Also: "Schnellstmöglich über Frieden verhandeln, statt immer nur über neue Waffenlieferungen reden", forderte auch sie.

"Dieses Entweder-Oder" nervte wiederum Sabine Fischer. "Von Tag 1 des Krieges gab es diplomatische Gespräche", stellte die Expertin für russische Außen- und Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik richtig. Nur hielten die Russen immer an ihren "betonharten Kriegszielen" fest. "Die militärische Unterstützung ist wichtig, damit die Ukraine ihre Verhandlungsposition verbessern kann", erklärte sie.

"Es geht jetzt um diesen Winter noch", erläuterte sie die Strategie Putins, durch die momentane Unterbrechung der Gaslieferung den Druck auf den Westen zu erhöhen. "Danach wird diese Gas-Waffe aber stumpfer werden", versicherte sie.

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Genauso sah es Alexander Graf Lambsdorff, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP. "Im Moment ist es die Stunde der Militärs", bedauerte er als Diplomat, dass Putin nur bereit sei, sich an den Verhandlungstisch zu setzen, wenn die Ukraine kapituliere.

Er lobte auch die Regierung für das umfassende Entlastungspaket. Und korrigierte nonchalant den Noch-Botschafter der Ukraine: Deutschland helfe seinem Land mit "demnächst einer Milliarde Euro" an militärischer Unterstützung und mit Finanzhilfen in Höhe von 8 Milliarden. Das sei doch nicht nichts.

Zur Ausgabe von "Hart aber fair" in der ARD-Mediathek

Dieser Artikel erschien zuerst bei morgenpost.de.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt