Erfurt/Weimar. Drei Überlebende betonen im Thüringer Landtag die Bedeutung der Erinnerung und die heutige Gefahr.

Bald schon werden da nur noch Erinnerungen sein. Briefe etwa wie jene von einer Arnstädterin und einer Römhilderin, die kurz vor ihrer Deportation ahnten, dass es kein Wiedersehen geben würde. Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) las bei der Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus aus dem Nachlass einige Zeilen vor. Gedacht wurde an diesem 27. Januar aller Opfer.

Und erinnern werden auch jene Akten, in denen festgehalten wurde, wer was besaß und was wem genommen wurde. Die Fahrkarten in die Vernichtungslager wurden hier im Haus ausgestellt, erinnert Ramelow an das Verwaltungshandeln, das die im heutigen Abgeordnetengebäude angesiedelt war. Zuvor hatten bereits Landtagspräsidentin Birgit Keller (Linke) die Notwendigkeit des „Nie wieder“: Jeder, der diesen Zivilisationsbruch auch nur im Ansatz zu leugnen oder zu relativieren versuche, „verlässt den Boden des Wertefundaments unserer freien demokratischen Gesellschaft“, so die Landtagspräsidentin.

Noch gibt es die Gelegenheit, mit einzelnen Menschen zu sprechen, die den Holocaust überlebt haben. Im Plenum des Landtags waren drei, die einst in Buchenwald oder in Außenlagern die mithin schlimmste, ständig vom Tod überschattete Erfahrung machten: Eva Pusztai, Heinrich Rotmensch und Günther Pappenheim. Alle Jahrgang 1925, also bald 95 Jahre alt. Pappenheim, aus dem Thüringer Wald stammend, erzählte, wie sein Vater, Jude und Sozialdemokrat, verfolgt und ganz früh in der Nazizeit ermordet wurde.

Danach war der Junge ausgegrenzt. Nur ganz wenige Menschen unterstützen die Familie. Pappenheim selbst geriet in die Fänge des NS, als er „französischen Fremdarbeitern zu deren Nationalfeiertag die Marseillaise auf seiner Ziehharmonika vorspielte.“ Heinrich Rotmensch wusste nicht nur von der Todesgefahr bis zur Befreiung zu berichten, sondern auch von einigen Menschen, die ihm beim Überleben halfen. „Ein Stück Brot, mehr brauchten wir nicht“, sagte er.

Eva Pusztai lebte in Budapest, ehe die Nazis ihre Familie deportierten. Antisemitismus aber sei schon lange zuvor in Ungarn vorhanden gewesen. Und er ist auch jetzt nicht gebannt. „Ich höre den Ton und weiß, dass das im Krematorium endet“. warnte sie davor, nicht mehr wachsam zu sein. Ihre Worte richtete sie an die Schülerinnen und Schüler, die die Veranstaltung besuchten: Die jungen Menschen, sagte sie ihnen, machen die Gesellschaft.

Und: „Immer ist der einzelne Mensch wichtig“, auch dann, wenn es darum gehe, zu erkennen, dass der Hass erscheint. Das war ihr Aufruf in der Gesprächsrunde, die Gedenkstättendirektor Volkhard Knigge leitete. Am ersten Aprilwochenende werden noch einmal einige Dutzend Überlebende des Holocausts sowie eine kleine Gruppe US-Soldaten erwartet, die vor 75 Jahren die Häftlinge in Buchenwald befreiten.