Axel Eger über eine olympische Schnapsidee.

Die Nachricht war ein Schock. Den wärmsten Winter seit 1881 prophezeien die Wetterkanäle drohend. Seit gestern wissen wir: da steckt Höheres dahinter. Denn Petrus, dieser Schlingel, baut nur vor. Er tut das, was sie in Oberhof seit einigen Jahren auch tun. Er bunkert den Schnee. Und hält ihn vor für den Superwinter 2030. Dann, wenn die Olympischen Spiele nach Thüringen kommen.

Es ist wie in der bevorstehenden Weihnachtszeit: Manchmal muss man ganz klein sein, um ganz große Anliegen („Papa, ich wünsch mir ein Pferd“) gelassen aussprechen zu können. Die VR-Bank Bad Salzungen gehört fraglos nicht zu den Global Playern der Finanzwelt, auch wenn sie seit Kurzem mit Stefan Effenberg den Tiger in der Bank hat. Doch seit gestern ist Bad Salzungen im Olymp angekommen. Wenn auch fürs Erste nur im Posteingangsfach des IOC.

Olympia in Thüringen. Um nicht mehr oder weniger geht es. Die mangelnde Reife des Vorhabens wird mit der üblichen Euphorie an den üblichen Verdächtigen festgemacht: Biathlon und Rodeln in Oberhof sind immer ein Renner. Skispringen funktioniert ebenso.

Eisschnelllauf in Erfurt? Auch nicht schlecht. Das gäbe dann die ersten Olympiasieger unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Es sei denn, man erweitert die Niemann-Stirnemann-Halle – der Erfurter Fußball braucht auf absehbare Zeit eh kein großes Stadion – und schiebt noch ein paar Zuschauerbänke hinein. Und warum Eishockey in Leipzig oder Nürnberg? Die hiesige Kartoffelhalle wartet seit Jahren auf eine Sanierung. Nie stünden die Chancen besser.

Nur bei den alpinen Rennen wird es wirklich schwierig. Nachdem seinerzeit die Aufschüttung des Schneekopfs zum Tausender-Gipfel verpasst worden war, bliebe wohl tatsächlich nur Garmisch. Das Problem: Dort ist Olympia vor ein paar Jahren erst von den Leuten abgewählt worden.

Nein, nicht jeder, der Visionen hat, sollte zum Arzt gehen, wie es Helmut Schmidt einmal empfohlen hat. Auch Undenkbares darf gedacht werden. Erst recht sollten Ideen einen gewissen Charme besitzen. Aber eben auch ein bisschen Substanz. Der noch immer großartige olympische Gedanke, der die Welt zusammenbringt und für ein paar aufregende Momente vergessen lässt, was sie trennt, ist zu schade für billige Werbekampagnen im forschen Alleinritt.

Vor 25 Jahren gab es den vergleichbaren Plan, Olympia nach Schierke in den Oberharz zu holen. Man berief sich dabei unter anderem auf das dortige Eisstadion, das zwar traditionsreich, aber leider nur noch in der Erinnerung der Altvorderen existent war. Und es gab das wirklich unschlagbare Argument, über das modernste Telefonnetz in Sachsen-Anhalt zu verfügen. Das hat die Olympier natürlich umgehauen. Am Ende hat Schierke nochmal Glück gehabt. Die Gemeinde bekam nur einen Preis für die originellste Idee.

Zumindest der sollte den wackeren Salzunger Bankern ebenfalls sicher sein. Schließlich hat nun auch jenseits von Rhön und Rennsteig schon mal jemand von ihnen gehört. Denn darin liegt der wahre olympische Kern. Dabeisein ist alles. Wer in einer Welt der grellen Farben und schrillen Töne wahrgenommen und gehört werden will, muss noch einen Zacken greller und schriller sein. Muss Rudi Carrell anstimmen und am größtmöglichen Rad drehen. Wann wird’s mal wieder richtig Winter? Eine Bewerbung um die Landesjugendspiele wäre da kontraproduktiv.

Aber noch ist ja nicht aller Tage Abend. Und sollte es mit Olympia wider Erwarten nicht klappen, bliebe, natürlich mit Effenberg als Kaiser von Thüringen, die Fußball-Weltmeisterschaft als lohnendes Ziel. Nur Mut, noch sind Bewerbungen für 2030 möglich. Fußballplätze sind hier jedenfalls in Hülle und Fülle da.