Berlin. Inflation und Gaskrise: Das dritte Entlastungspaket muss für Beruhigung sorgen – und bisherige Fehler der Ampel-Regierung ausmerzen.

Am Wochenende soll es so weit sein: Die Spitzen der Ampel-Koalition wollen nach wochenlanger Diskussion das dritte Entlastungspaket beschließen. Angesichts atemberaubend steigender Preise vor allem für Energie warten Familien, Rentner, Geringverdiener, aber auch Unternehmen auf klare Perspektiven, wie sie im Herbst und Winter finanziell über die Runden kommen sollen.

Mit dem Paket muss es der Regierung gelingen, der absehbar dramatischen Entwicklung einen Schritt voraus zu sein. Die Beschlüsse müssen bis ins nächste Jahr hinein dafür sorgen, die Lage im Land zu beruhigen. Es darf nicht in wenigen Wochen schon wieder eine Debatte um Nachbesserungen geben.

Die Bilanz der bisherigen Entlastungspakete ist gemischt. Einerseits kann die Regierung für sich in Anspruch nehmen, früh reagiert zu haben. Bereits am Vorabend des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine brachte die Koalition die erste Entlastungsrunde auf den Weg. Einen Monat später folgte die zweite Runde, zusammen enthalten beide Pakete Entlastungen von rund 30 Milliarden Euro.

Jan Dörner, Politik-Korrespondent
Jan Dörner, Politik-Korrespondent © Privat | Privat

Heizkostenzuschuss: Die Rentner gehen leer aus – ein Fehler

Dazu gehört etwa der Heizkostenzuschuss, der nun im September ausgezahlt wird, bevor Verbraucher deutlich mehr für Gas zahlen müssen als bisher und das finanzielle Ausmaß der Energiekrise vielen erst bewusst werden dürfte. Das in einer Nachtsitzung erdachte 9-Euro-Ticket wurde zur Überraschung auch mancher der dafür Verantwortlichen ein großer Erfolg. Lesen Sie auch: Neues Entlastungspaket: Inflationsprämie soll kommen

Allerdings hatten die Beschlüsse große Schwächen: So gehen Rentner bei der Auszahlung des Heizkostenzuschusses in der Regel leer aus. Zudem enthielten die Pakete mit dem Tankrabatt auch eine Idee zweifelhafter Wirkung. Insgesamt reichte das rot-gelb-grüne Sammelsurium von Einzelmaßnahmen in Umfang und Aufbau nicht aus, um vor allem die Schwächsten unserer Gesellschaft ausreichend vor den Folgen des von Russland gezielt geführten Wirtschaftskrieges zu schützen.

Die Regierung muss also ein Paket schnüren, in dem die Beschlüsse logisch und wirksam ineinandergreifen. Es braucht eine Kombination von strukturellen Veränderungen wie der Einführung des neuen Bürgergeldes, der Ausweitung des Wohngeldes sowie Steuersenkungen auf der einen Seite und bereits in diesem Herbst kurzfristig für Entlastung sorgenden Schritten auf der anderen Seite. Auch interessant: So hoch ist der durchschnittliche Stromverbrauch für ihren Haushalt

Viele Menschen haben in den vergangenen drei Monaten das 9-Euro-Ticket genutzt.
Viele Menschen haben in den vergangenen drei Monaten das 9-Euro-Ticket genutzt. © dpa | Christoph Soeder

Drittes Entlastungspaket: Der Staat wird nicht alle Härten abfedern können

Im Fokus müssen dabei diejenigen stehen, die schon vor den drastischen Preissteigerungen der vergangenen Monate jeden Euro mehrfach umdrehen mussten: Rentnerinnen und Rentner, Geringverdiener sowie Studenten. Aber auch Haushalte mit mittlerem Einkommen brauchen Unterstützung.

Das wird teuer, sogar sehr teuer. Für das dritte Entlastungspaket plant die Koalition abermals mit einem zweistelligen Milliardenbetrag. „You’ll never walk alone“, hat Kanzler Olaf Scholz der Bevölkerung versprochen. Niemand soll allein gelassen werden.

Die Wahrheit ist aber: Es wird auch nach dem Beschluss des dritten Entlastungspakets Härten geben, die der Staat nicht mit Steuergeld abfedern können wird. Zu gewaltig sind die Verwerfungen durch den russischen Angriffskrieg. Gutverdiener werden mehr schultern müssen als andere. Lesen Sie auch: Energiepauschale und Grundfreibetrag: So viel gibt es netto

Der Regierung bietet sich aber auch eine Chance, die sie nicht verstreichen lassen darf. Sie kann jetzt gemeinsam mit den Ländern ein neues Ticket für Bus und Bahn auf den Weg bringen, das Klimaschutz und soziale Teilhabe bei überregional einfachen Tarifstrukturen verbindet. Das wird zwar nicht für 9 Euro im Monat zu haben sein, aber die Koalition muss mit einem günstigen Preis ein Zukunftssignal setzten.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.