Berlin. Angesichts der großen Umbrüche in der Welt – Ukraine-Krieg, Inflation – schlägt die Stunde der Bürger. Selbstverantwortung ist gefragt.

In der Not ist Zusammenhalt das Gebot der Stunde. Das gilt auch für kritische Lagen wie die rasant ansteigende Inflationsrate, die Energiepreis-Explosion infolge des Ukraine-Krieges oder die immer noch stockenden Lieferketten im Zuge der Corona-Pandemie.

Politik-Korrespondent Michael Backfisch,
Politik-Korrespondent Michael Backfisch, © Reto Klar | Reto Klar

Deshalb ist es eine gute Idee, dass sich Vertreter von Bundesregierung, Gewerkschaften, Arbeitgebern und Experten am Montag zusammengesetzt haben, um in einer kollektiven Kraftanstrengung Wege zu einer Lösung auszuloten. Es ist ein Rückgriff auf die „konzertierte Aktion“ von 1967, mit der die damalige große Koalition versuchte, die erste Rezession des Wirtschaftswunderlandes Bundesrepublik in den Griff zu bekommen.

Die Zusammenkunft der Teilnehmer war von großem Ernst und dem Bewusstsein um die gewaltige historische Verantwortung geprägt. Radikale Rhetorik fand nicht statt. Das ist gut so. Doch dieses informelle Gremium ist kein Zauber-Forum, das die Probleme mit einer magischen Formel lösen könnte. Der Staat kann in Ausnahme-Situationen große ökonomische Krisen abmildern, doch er ist keine Allheil-Instanz.

Löhne und Gehälter sind nicht Sache der Ampelkoalition, sondern der Tarifpartner

Die konzertierte Aktion soll bis Herbst Instrumente entwickeln. Doch vor überhöhten Erwartungen sei gewarnt. Die gemeinsame Plattform ist keine übergeordnete Ersatzregierung. Löhne und Gehälter sind auch in einschneidenden Krisen-Situationen nicht Sache der Ampelkoalition, sondern der Tarifpartner. Nur sie können verhindern, dass es zu einer Lohn-Preis-Spirale kommt, die die Wirtschaft in einen Teufelskreis katapultieren würde.

Darüber hinaus ist der Spielraum der öffentlichen Hand begrenzt. Der Bund nimmt in diesem Jahr fast 140 Milliarden Euro an Krediten auf. Bedürftige, Familien, Geringverdiener sowie Berufspendlerinnen und -pendler werden mit rund 30 Milliarden Euro entlastet.

Der ewige Ruf nach dem Staat würde in eine Verschuldungsspirale münden

Das sind gewaltige Summen, die Unternehmen sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wieder erwirtschaften müssen. Der ewige Ruf nach dem Staat führt aber in eine Anspruchshaltung, die in eine nicht mehr zu kontrollierende Verschuldungsspirale münden würde.

Finanzierung auf Pump liefert auf Dauer ebenso wenig die Lösung wie Planeritis. Die Forderung der DGB-Chefin Yasmin Fahimi, eine Preisgarantie für den Grundbedarf an Strom und Gas festzulegen, ist ein solcher Irrweg. Wer definiert diesen Grundbedarf nach welchen Kriterien – und wo bleibt der Anreiz zum Energiesparen?

Angesichts der großen Umbrüche in der Welt schlägt die Stunde der Bürger

Der in Kreisen von Juso und Linkspartei herumgeisternde Vorschlag eines „Krisensolis von Topverdienern“ gehört in die Rubrik politische Einfallslosigkeit. Doch auch der eine oder andere Arbeitgeber schießt über das Ziel hinaus, wenn er sich aus Furcht vor hohen Lohnforderungen für eine Einschränkung des Streikrechts stark macht.

Angesichts der großen Umbrüche in der Welt – Ukraine-Krieg, Inflationsauftrieb, Lieferketten-Chaos wegen Corona – schlägt nicht nur die Stunde des Staates, sondern auch die der Bürger. Selbstverantwortung ist jetzt gefragt. Jeder und jede einzelne muss sich Gedanken machen, wie er oder sie das Geld mit Blick auf knappere Ressourcen ausgeben will.

Egal, wie der Ukraine-Krieg endet: Unsere Lebensgewohnheiten werden sich ändern

Muss der teure Interkontinental-Urlaub sein? Wie kann ich Energie in der eigenen Wohnung sparen? Sollte das Heizsystem im Sommer auf Effizient getrimmt werden, damit der Verbrauch im Winter niedriger ausfällt? Egal, wann und wie der Ukraine-Krieg endet: Unsere Lebensgewohnheiten werden sich ändern. Ohne Verzicht geht es nicht.

Die Politik muss sich schnellstmöglich um das kümmern, was sie jahrelang versäumt hat: die Diversifizierung von Energiequellen. Und sie muss den Bürgern reinen Wein einschenken. Die Lage ist ernst – und wird es bleiben.

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.