Erfurt. Die Polizei ermittelt 2018 gegen 25 Zuwanderer in Thüringen wegen zu Unrecht bezogener staatlicher Hilfen. In nur einem Fall geht es um 327.000 Euro.

In den vergangenen drei Jahren ist in Thüringen häufiger gegen Zuwanderer wegen des Verdachts zu Unrecht bezogener Sozialleistungen ermittelt worden als in den Jahren davor. Allerdings liegt die Zahl der Fälle auf niedrigem zweistelligen Niveau: 2016 entfielen nur 15 der insgesamt erfassten 243 Fälle von Sozialbetrug auf Zuwanderer, 2017 waren es 22 von 297 Fällen und im vergangenen Jahr 25 von 249 Fällen.

Deutlich höher als in den Vorjahren ist indes die Schadenssumme, die nach Angaben der Ermittlungsstatistik durch unrechtmäßig bezogene Sozialleistungen entstanden sein könnte. Das geht aus der Antwort des Justizministeriums auf eine Kleine Anfrage der Thüringer AfD-Fraktion hervor.

In nur einem Fall geht es um 327.000 Euro

Demnach gehen die Ermittler für das Jahr 2017 von einem möglichen Gesamtschaden von 367.271 Euro aus, für 2018 stehen 282.738 Euro zu Buche. Für das Jahr 2016 listet die Polizeiliche Kriminalstatistik einen mutmaßlichen Gesamtschaden von 15.969 Euro auf. Dabei differenziert die Statistik allerdings nicht, welche Sozialleistungen zu Unrecht bezogen wurden – ob Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder andere staatliche Zuwendungen.

In der Antwort auf die Kleine Anfrage wird auch aufgelistet, welcher Schaden in jedem Einzelfall entstand.

Dabei zeigt sich, dass die 23-fache Steigerung von 2016 zu 2017 fast nur aus einem einzigen Fall resultiert. In dem geht es um zu Unrecht bezogene Sozialleistungen in Höhe von 327.000 Euro. Im vergangenen Jahr habe sich die vermutlich entstandene Schadenshöhe pro Einzelfall zwischen 351 und knapp 130.000 Euro bewegt.

In drei Fällen sei es lediglich beim Versuch geblieben, Sozialleistungen zu Unrecht zu beziehen.

Der Anteil von Zuwanderern an den ermittelten Tatverdächtigen, denen Leistungsmissbrauch vorgeworfen wird, beträgt seit 2016 etwa 10 Prozent. Vorher war er auch deshalb deutlich geringer, weil zwischen 2013 und 2015 – also vor der Flüchtlingskrise – insgesamt noch deutlich mehr Fälle von Leistungsmissbrauch erfasst wurden als in den Folgejahren: 2014 beispielsweise 635 Fälle, 2015 dann 413 Fälle. Auch das geht aus dem Antwortschreiben des Justizministeriums hervor.

Tatsächlicher Schaden ist oft noch geringer

In dem Dokument, das dieser Zeitung vorliegt, wird vor allem Wert auf die Feststellung gelegt, „dass die Angabe der Schadenshöhe nicht bedeutet, dass Eintritt und Höhe eines entsprechenden Schadens durch ein gerichtliches Verfahren rechtskräftig festgestellt worden sind“.

In welchem Verhältnis der vermutete zum tatsächlich eingetretenen Schaden steht, dazu vermag das Justizministerium nichts zu sagen.

Auf eine Statistik zu den abgeschlossenen Verfahren kann das Haus von Justizminister Dieter Lauinger (Grüne) offenbar nicht zurückgreifen: „Für die Justiz besteht kein Anlass, statistische Daten im Sinne der Fragestellung zu erheben.“

Im Ministerium würde man, selbst wenn es diese Daten gebe, den Zahlen keine besondere Bedeutung beimessen, „weil nicht alle Verfahren mit einer Verurteilung enden“. Verwiesen wird in dem Zusammenhang darauf, dass es die Möglichkeit der Verfahrenseinstellung gegen die Auflage der Schadenswiedergutmachung gibt.

AfD: Plünderung des Sozialstaats

Das Sozialministerium wollte sich unter Verweis darauf, dass das Justizressort die Anfrage beantwortet hat, nicht äußern. Auch nicht dazu, ob die drastisch gestiegene mögliche Schadenshöhe Anlass für Maßnahmen war oder ist, die einem Leistungsmissbrauch vorbeugen. Für Corinna Herold, sozialpolitische Sprecherin der AfD, deuten die Zahlen auf eine „Plünderung des deutschen Sozialstaats“ hin, vor dem die Landesregierung „nicht länger die Augen verschließen“ dürfe. Sie verweist auf die Steigerung der Schadenssumme im Vergleich der Jahre 2016 und 2017, ordnet allerdings nicht ein, dass es sich dabei um die vermutete Höhe des Schadens handelt.

Gleichwohl fordert Herold weitere Konsequenzen: Wer zu Unrecht Sozialleistungen beziehe, der habe als Betrüger „sein Bleiberecht verwirkt“.

Die AfD fordert, Zuwanderern nur noch Sachleistungen, keine Geldleistungen zukommen zu lassen, um damit einen „ausufernden Sozialmissbrauch“ einzudämmen.