Berlin. Kanzler Scholz sprach in China Dissenspunkte wie den Ukraine-Krieg offen an. Doch viel mehr als Lippenbekenntnisse bekam er nicht.

Immerhin: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat in Peking Klartext geredet. Er übte scharfe Kritik am russischen Einmarsch in der Ukraine. Scholz drängte seine Gesprächspartner, mäßigend auf Moskau einzuwirken. Er rügte Chinas Abschottung der eigenen Märkte für ausländische Investoren. Er warnte zudem vor einer Invasion in Taiwan und mahnte Menschenrechte an – etwa im Umgang mit der muslimischen Minderheit in der Provinz Xinjiang.

Insofern: Gut gebrüllt, Kanzler! Scholz hat Dissenspunkte offen angesprochen. Anders als seine Vorgängerin Angela Merkel (CDU), die Kritik allenfalls mit Samthandschuhen hinter verschlossenen Türen formulierte, wählte der Gast aus Berlin die öffentliche Bühne. Das war richtig.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Nur für Ausländer: Biontech aus Mainz darf in China Corona-Impfstoff verabreichen

Aber was hat Scholz in Peking wirklich erreicht? Der einzige greifbare Erfolg bestand in der Zusage, dass der Corona-Impfstoff des Mainzer Unternehmens Biontech für in China lebende Ausländer zugelassen wird. Verbunden mit der vagen Hoffnung, vielleicht eines Tages mal den gesamten Markt bedienen zu können.

Michael Backfisch, Politik-Korrespondent
Michael Backfisch, Politik-Korrespondent © Reto Klar | Reto Klar

Ansonsten kamen von Staatschef Xi Jinping und Ministerpräsident Li Keqiang nur Lippenbekenntnisse. Zwar nahmen die Chinesen Scholz‘ Vorwurf „atomarer Drohgebärden“ Richtung Kremlchef Wladimir Putin auf. So betonte Xi das Ziel, „dass Atomwaffen nicht eingesetzt werden können und nukleare Kriege nicht gekämpft werden dürfen“.

Billiges Öl: China profitiert vom Krieg

Doch dies sind leere Worthülsen, solange sich die Volksrepublik nicht vom Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine distanziert. China beteiligt sich nicht an den westlichen Sanktionen gegen Russland, importiert vielmehr billiges Öl und Gas aus dem Nachbarland und ist insofern ein Kriegsprofiteur.

Auch Lis wortreiche Schwüre auf den Freihandel sind nicht zum Nennwert zu nehmen. Seit Jahren versprechen die Chinesen, ausländische Investoren freien Zugang zu den eigenen Märkten zu geben. Deutsche Firmen haben das immer wieder eingefordert, passiert ist kaum etwas.

So wäre die Beteiligung eines europäischen Betriebs an einem chinesischen Hafen – getreu dem 24,9-Prozent-Einstieg des chinesischen Staatskonzerns Cosco bei einem Hamburger Containerterminal – nicht möglich. Lis Schwärmerei vom globalen Handel ist daher Harmonie-Rhetorik, speziell für deutsche Ohren bestimmt.

Eine Reise im EU-Format wäre politisch klüger gewesen

Scholz‘ Auftritt in Peking verlief besser als von einigen befürchtet. Doch Timing und Format waren nicht glücklich gewählt. Die Reise ist ohne Not eine Aufwertung von Präsident Xi, der sich kürzlich mit quasi-diktatorischen Vollmachen ausstatten ließ.

Zudem wäre es politisch klüger gewesen, wenn Scholz in einem EU-Kontext – zumindest im Tandem mit Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron – in Peking Flagge gezeigt hätte. Es wäre eine Botschaft an die aufstrebende Weltmacht China gewesen: Die wirtschaftlich starke Gemeinschaft der 27 tritt geschlossen auf.

Bei Chinas Projekt der Neuen Seidenstraße geht es um ökonomischem Nationalismus

Chinas Mega-Projekt der Neuen Seidenstraße hat wenig mit Freihandel und viel mit ökonomischem Nationalismus zu tun. Seit 2013 baut die Volksrepublik Straßen, Bahnstrecken, Häfen und Pipelines zwischen Asien, Europa und Afrika. Chinesische Firmen sollen sich so Aufträge sichern und neue Märkte erschließen. Dabei geht es aber auch um die Schaffung von Abhängigkeiten. Können Staaten Kredite nicht mehr zurückzahlen, müssen sie Objekte an Peking verkaufen oder zu niedrigen Preisen Rohstoffe liefern.

Vor zu großer Naivität ist daher zu warnen. Die deutsche Wirtschaft muss sich nicht von China abkoppeln. Aber sie sollte ihr Geschäft mehr diversifizieren – am besten im Gleichklang mit Europa. Das vermindert extreme Abhängigkeiten und macht weniger erpressbar.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de