Erfurt. Birgit Pelke (SPD) tritt für den Landtag zwar direkt an, wurde von ihrer Partei aber abgeschoben.

Birgit Pelke (SPD) erinnert sich gern an die Zeit, in denen aus den zwei geteilten Staaten ein Deutschland werden sollte. In Apolda gab es das Haus für die neuen Parteien. Gegenüber hatte die mächtige CDU ihre Zentrale. Deswegen kam der heutige CDU-Landeschef und Spitzenkandidat Mike Mohring, damals noch Mitglied beim „Neuen Forum“, dorthin, wo der Kopierer stand. Den hatte Pelke „von drüben“ mitgebracht – aus Rüsselsheim, wo sie 1961 geboren wurde.

Thüringen wurde ihre Heimat. Hier baute sie den SPD-Landesverband mit auf und gab der Partei Strukturen. „Eigentlich sollte es für ein Jahr sein. Aber ich bin immer noch hier“, sagt sie. Von 1991 bis 1994 war sie die Landesgeschäftsführerin der Partei. Danach zog sie in den Landtag ein. Seit 1994 gehört sie ihm ununterbrochen an. „Wir hatten damals das sensationelle Ergebnis von 29,6 Prozent“, erinnert sie sich. Und: „Der Spitzenkandidat war sauer, dass wir die 30 Prozent nicht erreicht haben.“ Gerd Schuchardt aus Jena führte damals die SPD im Land. Die SPD regierte mit.

Von Erfurt in den Wahlkreis Eichsfeld „verfrachtet“

25 Jahre später steht die Sozialdemokratie in Thüringen nahezu blank da, dümpelt in Umfragen im einstelligen Prozentbereich herum – und nähert sich der 5-Prozent-Hürde gefährlich von oben an. Pelke fasst das zurückhaltend zusammen: „Es ist in keiner Partei einfach.“ Ob sie einmal daran gedacht habe, der SPD den Rücken zu kehren: „Nein. Entweder ganz oder gar nicht.“

Die Partei geht mit Pelke nicht zimperlich um. Schon bei der Landtagswahl 2014 hatte man ihr den Wahlkreis Erfurt-Nord streitig gemacht, sie ins Eichsfeld abgeschoben, wo sie niemand kannte. Wider Erwarten hat sie als Nachrückerin für Hartmut Schubert (SPD) den Einzug in den Landtag geschafft. Pelke hat sich in ihrer „neuen“ politischen Heimat einen Namen gemacht. Im Landtag gehört die ehemalige Vizepräsidentin mehreren Ausschüssen an, arbeitete im zweiten „NSU“-Untersuchungsausschuss. Sport und soziale Themen sind ihr Steckenpferde; als Vize-Chefin der Fraktion stellte sie sich in den Dienst der Partei. Trat im Ärger zurück.

„Mit uns hat niemand geredet.“

Das unfreiwillige Aus: „Ich hätte es mir nicht ganz so vorstellen können“, sagt Pelke. Die Enttäuschung über den Listenplatz jenseits der 20 ist ihr anzumerken Nach hinten hat sie der Landesvorstand abgeschoben und ihr damit indirekt deutlich gemacht, dass sie nicht mehr gebraucht wird. Aus Protest gegen diesen Umgang legte sie kurz danach ihr Amt als Vize-Fraktionschefin nieder. Ebenso wie Frank Warnecke aus Erfurt – ein Genosse, dem es ähnlich erging wie Pelke. Auch die Parlamentarische Geschäftsführerin Dagmar Becker schloss sich an.

Pelkes Hauptkritikpunkt: „Mit uns hat niemand geredet.“ Aber über sie. Juso-Chef Oleg Shevchenko mahnte die drei Parteifreunde öffentlich an, dass sie Verantwortung hätten. Pelke ärgerlich: „Dass ich meine Arbeit bis zum Schluss mache, das weiß ich selbst und muss ich mir von einem Jungspund wie ihm nicht sagen lassen.“

Pelke will SPD-Mitglied bleiben

Pelke regt sich über diese Bevormundung auf. Zumal sie nach wie vor keine wirklichen Gründe dafür kennt, warum sie unfreiwillig aufs Altenteil verschoben wurde. „Am Geburtsdatum kann es nicht liegen“, sagt sie und verweist auf den Landesvorsitzenden Wolfgang Tiefensee (64), der einige Lebensjahre älter ist als sie. Es gibt weitere Beispiele... Dass vor ihr zwei Parteilose auf der SPD-Liste auftauchen, lässt Pelke ebenfalls keine Ruhe: „Da fragt man sich schon, ob etwas verkehrt läuft“, sagt die Erfurterin, die seit 40 Jahren Mitglied der Sozialdemokraten ist. SPD-Mitglied will sie bleiben – auch ohne Landtagsmandat.

Dass sie in ihrem Wahlkreis im Eichsfeld beim Direktmandat chancenlos ist, weiß sie. Das Rennen wird dort zwischen den Kandidaten der CDU und der AfD entschieden.

„Aber ich unterstütze meine Eichsfelder trotzdem im Wahlkampf“, sagt Pelke. Ihren Frieden habe sie gemacht mit der politischen Rente. Mit Blick auf ihre zahlreichen Ehrenämter und einen pflegebedürftigen Lebenspartner sagt sie: „Mir wird nach dem 27. Oktober nicht langweilig.“