Wolfgang Niedecken feiert Geburtstag und wir ein elementares Bap-Album. Christian Werner über „Zwesche Salzjebäck un Bier“.

Zugegeben, es braucht keinen runden Geburtstag als Vorwand, um ein Album von Bap aufzulegen. Und eine Pandemie samt Shutdown, um sich endlich mal die Basislektionen des Kölner Dialekts drauf zu schaffen, erst recht nicht.

Kürzlich aber ließ Bandchef Wolfgang Niedecken verkünden, dass sein liebstes frühes Bap-Album „Zwesche Salzjebäck un Bier“ von 1984 sei. Deshalb und in Ermangelung eines Glas Kölsch zum heutigen 70. des Geschichtenerzählers und Menschenfängers: Hände waschen, Tür zu, Maske ab und die Nadel aufs Vinyl senken.

Die Songs werden vielschichtiger

Die fein gesprenkelten Dur-Akkorde der Akustischen täuschen noch über den molligen Grundton des ersten Songs und des Albums allgemein hinweg. Niedecken skizziert in „Bahnhofskino“ ein Panoptikum an historischen Personen und apokalyptischen Szenarien. Bap haben einige dieser epischen sich wie Tübkes Rundbild in Bad Frankenhausen langsam steigernden Songs, man denke nur an „Novembermorje“.

Das Cover des Albums „Zwesche Salzjebäck un Bier“ von Bap.
Das Cover des Albums „Zwesche Salzjebäck un Bier“ von Bap. © EMI/Universal

Nach dem irrwitzigen Erfolg des Albums „Vun drinne noh drusse“ steht „Zwesche Salzjebäck…“ etwas in den Verkaufszahlen zurück, ist künstlerisch jedoch ein wichtiger Schritt. Die Songs werden vielschichtiger, stilistisch facettenreicher. Bap bleibt aber eine Rockband, siehe „Alexandra, nit nur do“ und „Diss Naach ees alles drin“. Oder „Deshalv spill mer he“ (mit Eisenach-Reminiszenz) über die abgesagte DDR-Tour.

Es gibt Songs, die einen physisch und psychisch so beanspruchen wie ein Spaziergang auf der Autobahn. „Sendeschluss“ ist so ein Monolith von einem Lied und neben „Bahnhofskino“ der Schlüsselsong der Platte. Eine Gänsehaut jagt die nächste und die Unterscheidung verschwimmt, was die Auslöser sind: das Arrangement aus Orchester und klassischer Gitarre oder der Text über eine desillusionierte Ausreißerin, die der bundesdeutschen Tristesse des gehäkelten Samstagabend-Biedermeiers aus Sportschau, Unterhaltungsshow, Hollywood-Konfektion und beruflicher Aussichtslosigkeit entkommen will. Eine Flucht ins Leben, ins Ungewisse auch, aus der Depression zwischen, genau, Salzgebäck und Bier.

Lieder wie diese kann man nicht nebenbei hören, es ist eine Vollzeitbeschäftigung. Alles andere ist vergeudete Lebenszeit.

Reinhören!

Wir haben die Playlist zum Krisen-Modus. Hören Sie unsere Auswahl an Songs für die Heimarbeit, zur Kurzweil oder für andere Ablenkungen in Selbstquarantäne.

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