Berlin/Jena. Eine Studie zeigt: 73 Prozent der befragten Thüringer meinen, dass durch Hassrede auch die Gewalt im Alltag zunimmt. Bedroht sehen viele auch die Meinungsfreiheit – aus Angst vor Hetze im Internet.

Hass im Internet wird zur Bedrohung für Meinungsvielfalt, -freiheit und die Demokratie in Deutschland. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Jenaer Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) sowie der Online-Beteiligungsplattform Campact, die in Berlin vorgestellt wurde.

Demnach bekennen sich wegen Hass und Hetze im Internet mehr als die Hälfte der Menschen in Deutschland (54 Prozent) seltener zu ihrer politischen Meinung. Bundesweit sorgten sich 72 Prozent der Befragten, dass durch „Hate Speech“, also Hassrede, auch die Gewalt im Alltag zunimmt.

In Thüringen seien es 73 Prozent. „Das ist kein signifikanter Unterschied. Thüringen ist ziemlich im Durchschnitt und erfreulich unauffällig“, sagt IDZ-Direktor Matthias Quent dieser Zeitung. In Hessen machen sich 69 Prozent der Menschen, die an der Studie mit dem Titel „#Hass im Netz“ teilnahmen, Sorgen. Bundesweit gaben 40 Prozent an, bereits „Hate Speech“ im Internet beobachtet zu haben, in Thüringen waren es 36 Prozent.

Hassrede führt zu verzerrter Wahrnehmung der Meinungshoheit

Für den geringeren Wert gibt es aus Quents Sicht zwei Thesen: Zum einen könne es daran liegen, dass viele ältere Menschen im Freistaat kaum oder nicht im Internet unterwegs seien, zum anderen, dass sie weniger sensibel auf Hass reagierten. „Besonders junge Menschen, die viel Zeit im Internet verbringen, sind Hassrede ausgesetzt“, sagt er. Bei den 18- bis 24-Jährigen seien es sogar 73 Prozent. Quent: „Hassrede hat massive Auswirkungen auf die Betroffenen, aber auch die Mitlesenden: verzerrte Wahrnehmung der Meinungshoheit, Rückzug aus politischen Debatten – bis hin zu emotionalem Stress und Depressionen.“

Spätestens seit dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) zeige sich, dass Hassrede den Nährboden für Gewalt außerhalb des Internets bereiten könne, sagt Damian Ludewig von Campact. Hier sei die Politik in der Pflicht, Maßnahmen umzusetzen, die eine konsequente Strafverfolgung im Netz ermöglichen. Bundesweit sind nur zwölf Prozent der Meinung, die Bundesregierung tue genug gegen Hass und Hetze im Internet. In Thüringen liegt der Wert in Bezug auf die Landesregierung bei 13 Prozent, in Hessen bei 15 Prozent.

Für die Studie wurden im April und Mai 2019 mehr als 7300 Menschen repräsentativ befragt. In Thüringen waren es 509, in Hessen 503 Menschen.