Erfurt. Der Lehrerverband befürchtet durch rot-rot-grüne Änderungen am Schulgesetz zunehmende Belastungen für Pädagogen.

Der von Bildungsminister Helmut Holter (Linke) vorgelegte Entwurf für ein neues Schulgesetz ist vor allem wegen seiner Vorgaben für Klassen- und Schulgrößen Gegenstand anhaltender Kontroversen. Doch die Novelle beinhaltet weit mehr. Und inzwischen haben die rot-rot-grünen Koalitionsfraktionen Änderungsanträge vorgelegt, die die Mitbestimmung der Schüler stärken sollen. Eine kleine Auswahl:

Jeder Schüler hat das Recht, sich mit Beschwerden oder persönlichen Problemen und bei ungerecht empfundener Behandlung oder Beurteilung an den Lehrer, an den Vertrauenslehrer, an die Schülervertretung, den Schulleiter und an die Schulkonferenz oder an die Ombudsstelle (Schlichtungssstelle) zu wenden. Zur Planung des Unterrichts sowie zur Erörterung von Pro­blemen und Konflikten in den Klassen kann ein Klassenrat gebildet werden. Bestehend aus den Schülern der Klasse und dem Klassenlehrer, soll dieser monatlich zusammenfinden. Die Klassensprecherversammlung wählt mindestens zwei Vertrauenslehrer für jeweils ein Schuljahr.

Der Thüringer Lehrerverband (TLV) betrachtet die Änderungen mit gemischten Gefühlen. Grundsätzlich sei es natürlich immer für eine gute Sache, die Schülerrechte zu stärken – auch im Sinne der Demokratiebildung. „Aber wir sehen momentan vor allem die Gefahr einer nochmals zunehmenden Belastung für die Lehrer und Schulleiter“, warnt eine Sprecherin des Verbandes auf Anfrage dieser Zeitung. Die genannten Aufgaben erforderten alle zusätzlichen Arbeits-, Organisations- und Betreuungsaufwand. Es sei aber offenbar nichts vorgesehen, was dafür einen Ausgleich schaffen würde – sogenannte Anrechnungsstunden. „Und bei der prekären Personalsituation an den Schulen würden diese, selbst wenn sie gewährt würden, weitere Schwierigkeiten mit der Unterrichtsabdeckung nach sich ziehen“, gibt die Sprecherin zu bedenken. Die vom TLV immer wieder geforderten multiprofessionellen Teams könnten sicher auch hier für Entlastung sorgen – „aber auch hier sehen wir bisher keine echten Fortschritte“.

Was die Planung des Unterrichts und die Notengebung angeht, steht man dem rot-rot-grünen Plänen ebenfalls skeptisch gegenüber: „Maximale Transparenz ist hier natürlich zeitgemäß und begrüßenswert“, heißt es. Allerdings gelte es, den schmalen Grat zwischen Transparenz und unsachgemäßer Einmischung in die Aufgaben beziehungsweise Hoheiten des Lehrers zu wahren.

Die bündnisgrüne Bildungsexpertin Astrid Rothe-Beinlich betont dagegen, durch die Änderungen werde die Kompetenz des Lehrers keineswegs in Frage gestellt. Viele Lehrer bezögen schon heute ihre Schüler in die Unterrichtsplanung ein. Dies solle unterstützt werden, „indem der Klassenrat als eigenes Gremium im Schulgesetz definiert wird“, so Rothe-Beinlich.

Auch die Ombudsstelle hält die Grüne für einen Gewinn. Sie sei nicht weisungsgebunden gegenüber dem Schulamt oder dem Ministerium und bestehe idealerweise aus unterschiedlichen Professionen, die sich mit Schulsozialarbeit aber auch mit Schulrecht auskennen.

Die größte Oppositionskraft sieht sich durch die Vorbehalte des Lehrerverbandes einmal mehr in ihrer Auffassung bestätigt. „Zur Lösung der Probleme in Thüringen braucht es dieses Schulgesetz nicht“, sagt der CDU-Parlamentarier Christian Tischner.

Neues Thüringer Schulgesetz soll Rechte für Schüler stärken