München. Die Münchner Sicherheitskonferenz zeigt: Der Westen rückt zusammen, Deutschland hat eine neue Rolle. Aber auch Spannungen nehmen zu.

Der Ukraine-Krieg hat bei der Münchner Sicherheitskonferenz alle anderen Themen überlagert. Durch den Krieg sortiert sich die Welt neu. An fünf Themen lässt sich das ablesen. Ein Überblick.

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat den Westen zusammengeschweißt. Konsens ist: Würde Kremlchef Wladimir Putin die Ukraine ganz oder teilweise erobern, wären auch andere Länder in Gefahr. Zudem wäre dies eine Blaupause für die Autokraten und Diktatoren dieser Welt, Grenzen nach ihrem Gusto zu verschieben.

Amerikaner und Europäer haben die militärische Unterstützung für die Ukraine hochgefahren. Die Regierung in Kiew erhält Kampfpanzer, Luftabwehrsysteme, Artillerie und Munition. Vor allem an Letzterem mangelt es. Die internationale Panzerkoalition kommt jedoch nur schleppend voran.

Münchener Sicherheitskonferenz: US-Delegation groß wie nie

Die Lieferung von Kampfjets an die Ukraine steht nicht auf der Tagesordnung, obwohl Kiew das dringend wünscht. Auffällig auch: Die USA suchen den Schulterschluss mit Europa. Die amerikanische Delegation war so groß wie nie: 60 demokratische und republikanische Senatoren und Abgeordneten kamen nach München. US-Vizepräsidentin Kamala Harris verteilte angesichts der gemeinsamen Unterstützung der Ukraine Streicheleinheiten an die Europäer: „Die USA sind stolz, Ihr Partner in diesem noblen Streben zu sein.“

Ganz anders war dies noch bei der Münchner Sicherheitskonferenz 2019. Damals beschwor US-Vizepräsident Mike Pence das Trump-Motto „America First“ und las den Europäern in einer finsteren Rede die Leviten.

US-Vizepräsidentin Kamala Harris suchte den Schulterschluss mit den Europäern.
US-Vizepräsidentin Kamala Harris suchte den Schulterschluss mit den Europäern. © dpa | Sven Hoppe

Münchener Sicherheitskonferenz: Macron nimmt eine Sonderrolle ein

Durch viele Reden zog sich wie ein roter Faden: „Die Ukraine muss gewinnen.“ Frankreichs Präsident Emmanuel Macron machte da eine Ausnahme. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine könne nur durch Verhandlungen ein Ende finden, betonte er. „Ich will die Niederlage Russlands in der Ukraine und ich will, dass die Ukraine ihre Position verteidigen kann, aber ich bin überzeugt, dass das letztlich nicht militärisch abgeschlossen wird“, sagte Macron französischen Medien. „Keine der zwei Seiten kann vollständig siegen.“

Macron fährt zweigleisig. Er will zwar verhindern, dass Russland die Ukraine erobert. Aber sein Satz, dass keine der beiden Seiten „vollständig siegen“ könne, impliziert: Die Regierung in Kiew müsse Gebiete abtreten. Ein Widerspruch zur ukrainischen Führung, die die Wiederherstellung des gesamten Staatsterritorium fordert – einschließlich der Krim.

Macron bleibt bis zu einem gewissen Grad seiner Linie treu. Im Sommer 2019 hatte er Putin auf seine Sommerresidenz im südfranzösischen Fort Brégançon eingeladen. Damals hob er hervor, dass Russland ein „Nachbar“ sei. Die EU müsse im Rahmen einer europäischen Sicherheitsarchitektur eine „strategische Partnerschaft“ mit Moskau anstreben.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron setzt auf Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron setzt auf Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland. © dpa | Sven Hoppe

Deutschland ist nicht mehr Bremser

Seit der Ankündigung der damaligen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) im Januar 2022, 5000 Bundeswehr-Helme an die Ukraine zu liefern, galt Deutschland als der große Bremser. Während die USA und Großbritannien nach Kriegsbeginn mit der Entsendung schwerer Waffen nach Kiew vorpreschten, hielt sich die Bundesregierung zurück. Sie schien nur unter Druck zu handeln. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte das Etikett des Zauderers – sogar aus der Ampelkoalition hagelte es Kritik.

Der Januar 2023 war für Scholz der wahre Moment der „Zeitenwende“. Die Ankündigung, Marder-Schützenpanzer und Leopard-Kampfpanzer in die Ukraine zu verschicken, brachte ihm international Anerkennung ein. Selbst der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba lobte: „Deutschland ist über sich selbst hinausgewachsen.“

Die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik hat einen langen Weg zurückgelegt. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 hatte Bundespräsident Joachim Gauck noch gefordert, dass sich Deutschland international mehr engagieren müsse. „Die Bundesrepublik sollte sich als guter Partner früher, entschiedener und substanzieller einbringen“, unterstrich Gauck.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stellte auf der Sicherheitskonferenz klar, dass Deutschland die Ukraine so lange wie nötig unterstützen werde.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stellte auf der Sicherheitskonferenz klar, dass Deutschland die Ukraine so lange wie nötig unterstützen werde. © dpa | Peter Kneffel

Kalter Krieg zwischen Amerika und China

Nach der Ballon-Affäre Anfang Februar schlugen die diplomatischen Wellen bereits hoch. In München lieferten sich die Vertreter Amerikas und Chinas einen Krieg der Worte. Am Samstagabend trafen sich US-Außenminister Antony Blinken und Chinas ranghöchster Außenpolitiker Wang Yi zu einem Gespräch. Die Unterredung sei „sehr direkt und offen“ gewesen, hieß es von US-Seite. Mit anderen Worten: Es flogen die Fetzen.

Blinken habe den Eintritt eines chinesischen Überwachungsballons in den US-Luftraum als „inakzeptable Verletzung der Souveränität der USA und des internationalen Rechts“ gerügt, sagte US-Außenamtssprecher Ned Price. Außerdem habe Blinken gedroht, dass eine chinesische Unterstützung Russlands im Angriffskrieg gegen die Ukraine „Konsequenzen“ haben werde.

Die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua berichtete nach dem Treffen, Wang habe „Chinas harte Haltung in dem sogenannten Luftschiff-Vorfall klar gemacht“. Zuvor hatte Wang den USA in einer Rede eine „hysterische und absurde“ Reaktion in der Ballon-Affäre vorgeworfen.

Die Tonlage in München war auf beiden Seiten scharf bis konfrontativ. China will in den kommenden Tagen ein „Friedenspapier“ vorlegen, der zur Beendigung des Ukraine-Kriegs auffordern soll. Der Aufruf zum Dialog zwischen der Ukraine und Russland dürfte eher die Position Moskaus stützen, wonach Kiew Zugeständnisse machen soll.

Weitere Spannungen drohen im Taiwan-Konflikt. Peking pocht auf sein Recht, die demokratische Inselrepublik „notfalls“ gewaltsam mit Festland-China zu vereinigen. US-Präsident Joe Biden hat für diesen Fall eine militärische Intervention seines Landes angedroht. Bis auf Weiteres herrscht zwischen Washington und Peking Kalter Krieg. Aus der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Rivalität der Weltmächte könnte jedoch auch ein „heißer Konflikt“ erwachsen.

Chinas ranghöchster Außenpolitiker Wang Yi traf auf der Münchener Sicherheitskonferenz US-Außenminister Anthony Blinken.
Chinas ranghöchster Außenpolitiker Wang Yi traf auf der Münchener Sicherheitskonferenz US-Außenminister Anthony Blinken. © dpa | Peter Kneffel

Der Kampf um den „globalen Süden“

In München war der Westen praktisch unter sich. Vertreter Russlands und des Irans waren nicht eingeladen. In verschiedenen Reden klang an: Das Narrativ des Westens im Ukraine-Krieg – Kampf der Freiheit gegen Diktatur – ziehe in vielen Teilen der Welt nicht.

Kommentar:Warum der Westen um den „globalen Süden“ kämpfen muss

Für etliche Länder in Lateinamerika, Afrika und Asien geht es weniger um die Aufrechterhaltung der internationalen Ordnung. Sie leiden unter den hohen Energie- und Lebensmittelreisen infolge des Krieges. Das Motto der Länder des „globalen Südens“: Der Krieg sollte möglichst schnell beendet werden. Der Westen hat seine Erzählung zum Ukraine-Krieg lange Zeit als Selbstläufer genommen. Er muss künftig verstärkt um die Länder des „globalen Südens“ werben und ihnen wirtschaftliche und politische Angebote machen. China ist in diesen Ländern seit vielen Jahren aktiv – und hat einen Vorsprung.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt