So berichteten deutsche Zeitungen über die Thüringer Allgemeine, die erste unabhängige Tageszeitung in Ostdeutschland.
Das Aufbegehren gegen die SED hat auch die parteieigene Erfurter Tageszeitung DAS VOLK erfasst. Die Versammlung ihrer 250 Mitarbeiter an diesem Sonnabend dürfte in die DDR-Geschichte eingehen. Denn die Journalisten, Setzer und Drucker haben von ihrer Partei die Nase voll. Zur Debatte steht in der Versammlung die Loslösung der Zeitung - mit einer Tagesauflage von 410.000 eine der zehn größten in der DDR - von der SED und ihre Überführung in Privateigentum.
Hamburger Abendblatt, 13./14. Januar 1990
Am 15. Januar wurde „Das Volk“ in Erfurt zur „Thüringer Allgemeine“. Sie erklärte sich zur ersten unabhängigen Tageszeitung der DDR. Es war der Anfang vom Ende des SED-Medienmonopols.
Die Zeit, 2. Februar 1990
„Keine Schlammschlacht gegen niemand“ scheint auch das Motto der „Thüringer Allgemeine“ zu sein. Die Redakteure sind offenbar wirklich andere geworden. Ob mit oder ohne Reue, ob ganz oder nur oberflächlich, mag sicher von Mensch zu Mensch verschieden sein. Zumindest verfallen sie nicht von einer Anbiederung in die andere, und das dürfte ehrlich sein. Der Regierungspartei, die ihre Leser gewählt haben, schreiben sie jedenfalls nicht nach dem Mund.
Hans-Peter Schmidt, Journalist, Juli 1991
Was geschah nach 1945 auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald und den anderen der UdSSR unterstehenden Internierungslagern der damaligen sowjetischen Besatzungszone? Dies fragt die in Erfurt erscheinende „Thüringer Allgemeine“. Sie bricht damit mit einem bisherigen Tabu in der DDR.
TAZ, 12. Februar 1990
Bilder aus 30 Jahren TA-Redaktion und Druckzentrum
Wir wünschen Verlag und Redaktion der „Thüringer Allgemeine“ Erfolg beim Aufbruch in eine redaktionell und verlegerisch unabhängige Zukunft und hoffen auf eine gute und fruchtbare Zusammenarbeit.
Dr. Hans Benirschke, Chefredakteur der dpa, 22. Februar 1990
Während die „Sächsische Zeitung“ (Dresden) und „Leipziger Volkszeitung“ noch tapfer den Kassandra-Rufen unter Schwarz-Rot-Gold trotzen, fragte die „Thüringer Allgemeine“ ungeniert am 13. März auf ihrer ersten Seite „Wird Thüringen erstes Bundesland?“ und zeigte, wo die 23er-Harke hängt.
TAZ, 15. April 1990
Mitte Januar 1990 sagte sich DAS VOLK als erstes DDR-Blatt von der damals so genannten SED-PDS los; vergebens drohte der neue Parteichef Gregor Gysi der Belegschaft mit dem Entzug der Subventionen. Bei einer Demonstration des Neuen Forums rief Lochthofen unter dem Beifall von 40.000 Teilnehmern auf dem Erfurter Domplatz die Unabhängigkeit der Thüringer Allgemeine aus.
Spiegel Spezial, 01/1991
Das ehemalige Parteiorgan mit dem Titel „Das Volk“ war das erste Blatt in der Ex-DDR, das sich nach der Wende von der autoritären Übermutter SED abnabelte und mit neuem Namen einen neuen Kurs einschlug. Der heute 38-jährige Chefredakteur war damals Wortführer der Blatt-Wender und ist heute einer der wenigen originär ostdeutschen Redaktionsleiter, die trotz Westimporte das Ruder noch in der Hand halten.
Medium-Magazin, 3/91