Erfurt. Frank Quilitzsch feiert den Valentinstag mal ganz anders.

Übermorgen ist Valentinstag. Nein, nicht schon wieder der Liebsten Blumen schenken. Zumal man sich leicht in der Sorte vergreifen kann. Margeriten, zum Beispiel, bedeuten: Lass mich in Ruhe! Und Narzissen stehen für Eitelkeit. Wie kann man den Tag noch feiern? Manche bringen ihn mit dem Lupercalia-Fest in Verbindung, also mit römischen Fruchtbarkeitsritualen. Am Luperca-Tag legten Priester ihre Kleider ab, schlachteten Ziegen, schnitten deren Haut in Streifen, rannten damit um den Palatin-Hügel in Rom und schlugen Frauen. Oh Gott, die armen Ziegen! Lieber erinnere ich mich an meine erste Liebe.

Ich saß im Moskauer Bolschoi-Theater und sah die Primaballerina in Tschaikowskis Dornröschen-Ballett. Es war Liebe auf den ersten Blick. Prinzessin Aurora war ein zartes Wesen, das auf Zehenspitzen gehen, Pirouetten drehen und mit gespreizten Beinen anmutig durch die Luft schweben konnte. Ich schrie auf, als sie sich an der Spindel stach, und tröstete mich damit, dass sie nicht sterben, sondern nur sehr lange schlafen musste.

Das Programmheft mit dem Konterfei der Schönen, die darauf wartete, wachgeküsst zu werden, lag viele Nächte unter meinem Kopfkissen. Ich fand, dass Aurora zu schön war für ihre Freier, selbst für den Prinzen. Klar, dass ich von ihr träumte. Schließlich würde ich es sein, der die Schlafende eines Tages erweckte. Leider gingen meine Eltern nie wieder mit mir ins Ballett. Sie schickten mich in den russischen Kindergarten.

Und das Allerschlimmste: Prinzessin Aurora weiß bis heute nichts von mir.

Frank Quilitzsch: Alter, du wirst abgehängt. Die besten Kolumnen, Klartext-Verlag, Essen, 176 Seiten, 16,95 Euro