Henryk Goldberg macht sich gemein

Ich habe Geld gespendet. Das tue ich gelegentlich, wie sehr viele andere Menschen in Deutschland auch, und in der Regel ist das kein Grund, es öffentlich auszurufen. Aber da es sich hier um eine öffentliche Angelegenheit handelt, lässt sich auch offen darüber handeln.

Auch darüber, dass es sich tatsächlich um das handelt, was mir und anderen Kollegen gelegentlich unterstellt wird: um eine Kampagne. Nämlich die Spendenkampagne „Hilfe für Mary-Ellen Witzmann“.

Sie haben dort bereits, Stand Donnerstag, 9224 Euro eingesammelt, am Ende sollen es 12.000 Euro sein. Und gedacht sind sie zur Begleichung der Gerichts- und Anwaltskosten für die ehemalige Gleichstellungsbeauftragte der schönen Stadt Erfurt.

12.000 Euro. Ungefähr so viel wird es am Ende geschätzt kosten, wenn eine Frau ihren Job nicht verlieren will, nur weil sie ihren Job gemacht hat.

Denn die schöne Stadt Erfurt hat ihre Gleichstellungsbeauftragte gefeuert.

Jene Frau also, ohne deren Engagement die Vorgänge an der Oper Erfurt, sexuelle Belästigung, Machtmissbrauch, finanzielle Unregelmäßigkeiten, wohl noch lange auf der Hinterbühne der Stadtverwaltung verhandelt worden wären.

Mary-Ellen Witzmann hat, das darf man so sagen, die Stadt vor sich hergetrieben, sie hat sie gezwungen, die öffentliche Angelegenheit Theater auch dort zu verhandeln, wo ihr Platz ist: in der Öffentlichkeit.

Doch offenkundig ist man im Rathaus nicht bereit oder fähig, mit Menschen zu arbeiten, die ihrerseits nicht bereit oder fähig sind, sich stromlinienförmig da einzufügen, abzuwarten, was die Obrigkeit für nützlich hält.

Als nützlich erachtet diese Obrigkeit letzthin das Versenden mehr oder weniger offener Briefe, auch der Kolumnist sah sich durch dergleichen Amtspost geehrt.

Ein anderer ging, verfasst wiederum von dem zuständigen Beigeordneten, an die Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen (BAG), er reagierte damit auf ein Interview der Bundessprecherin. Sie benötigten im Erfurter Rathaus wohl eine professionelle Beratung ihrer Öffentlichkeitsarbeit, denn alle diese Briefe waren in der Wirkung kontraproduktiv – aus Sicht der Stadt.

Sie verstehen nicht, dass sie etwas rechtfertigen wollen, was sie nicht rechtfertigen können: Sie müssten der Öffentlichkeit erklären, dass es richtig war, sie, die Öffentlichkeit, eigentlich nicht haben zu wollen. Sie müssten der Öffentlichkeit erklären, dass es richtig war, eine Frau, die Sorge trug, dass eine öffentliche Angelegenheit öffentlich verhandelt wird, eben deshalb zu entlassen, dass es richtig ist, diese Frau eben deshalb in eine Gerichtsverhandlung zu nötigen. Sie verstehen nicht, dass sie diese Debatte nicht gewinnen können.

Und das gilt unabhängig vom Ausgang der Verhandlung am kommenden Freitag, unabhängig davon, ob die Stadt juristisch gewinnt oder verliert: Sie kann nur verlieren, sie hat bereits verloren. An Glaubwürdigkeit, an Integrität. Es wird ein Scherbengericht für die Stadt, so oder so.

Doch, entgegen einem viel zitierten und falsch verstandenen Diktum mache ich mich hier mit einer Sache gemein, einer guten. Die Plattform, auf der die oben genannte Spende eingeworben wird, heißt „betterplace.me“. Ich glaube in der Tat, dass meine Stadt mit aktiven Menschen wie Mary-Ellen Witzmann ein besserer Platz ist.