Martin Debes über das Superwahljahr.

Die Linke hat nun auch ihre Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl aufgestellt, Pardon, die SpitzenkandidatInnen natürlich. Die westliche, junge, linksäußere Marxistin Janine Wissler und der östliche, ältere, realpolitische Apparatschik Dietmar Bartsch, der noch in Moskau geschult wurde, sollen durchquotiert dafür sorgen, dass die Linke nun endlich auch auf Bundesebene mitregiert. Davor, und das ist keineswegs gewiss, muss die Partei aber erst einmal wieder in den Bundestag gelangen.

Susanne Hennig-Wellsow verzichtete. Einerseits hatte sie das lange so geplant. Andererseits war es angesichts ihrer bisherigen Außenwirkung als Wisslers Co-Vorsitzende nachvollziehbar.

So viel also zur Basisdemokratie auf der linken Seite. Nachdem die SPD ihr großes Gewinnspiel um den Vorsitz Ende 2019 mit der Kür von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans abgeschlossen hatte, war sie derart erschrocken darüber, dass sie schnell den Verlierer Olaf Scholz zum sogenannten Kanzlerkandidaten ausrief, was wohl auch nicht so clever war.

Die grüne Basis wiederum sah über Monate brav und diszipliniert dabei zu, wir ihre Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck miteinander „Schere, Stein, Papier“ spielten. Am Ende wählte der Softie das Papier – und die Klügere die Schere. Das war’s.

Immerhin gab es den einstigen Kanzlerwahlverein Union: Gleich zweimal wurde das große Schaulaufen um den CDU-Parteivorsitz veranstaltet, bis schließlich, als Armin Laschet gewählt war, der Söder Markus nach der Kanzlerkandidatur griff. So ein Gemetzel hatte die Union seit den Zeiten vom alten Strauß nicht mehr gesehen.

Die AfD wiederum kann sich nicht helfen und zelebriert ihre Spaltung als Urwahl. Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel und Bundeschef Tino Chrupalla treten gemeinsam gegen zwei Menschen an, deren Namen man sich im Anbetracht des wahrscheinlichen Ausgangs nicht merken muss.

Damit wäre auch schon der interessantere Teil des diesjährigen Wahlkampfs absolviert. Wie bitte? Sollte es 2021 nicht besonders spannend werden? Nun gut. Tatsächlich könnten ja die Grünen am Ende das Kanzleramt übernehmen, was schon ziemlich neu wäre, vor allem dann, wenn sie tatsächlich mit den darbenden Sozialdemokraten und Linken regierten.

Aber das wäre ja erst nach der Wahl. Bis dahin muss man Armin Laschet und Olaf Scholz zusehen, die ungefähr so unterhaltsam wie der 70. Geburtstag von Tante Hedwig mit AHA-Regeln sind. Und Annalena Baerbock, die einst so etwas wie Frische ausstrahlte, klingt inzwischen derart abgeklärt, als habe sie jeden ihrer sorgfältig kuratierten Sätze in Fokusgruppen abtesten lassen. Überhaupt ist das grüne Produkt inzwischen derart professionell und supernachhaltig verpackt, dass das Publikum schon dankbar sein muss, wenn Baerbock nicht weiß, wer die soziale Marktwirtschaft erfunden hat.

Ansonsten dürfte es wie immer sein: Partei A kämpft gegen Partei B kämpft gegen Partei C um den Regierungsvorsitz. Die Parteien D bis F streiten für eine Regierungsbeteiligung und die Parteien G bis Z dafür, im Parlament dabei sein zu können, auch wenn sie schon vorher sehr gut wissen, dass es damit wieder nichts wird.

Der einzige Unterschied ist: Wegen dieses doofen Corona wird bislang vor allem virtuell wahlgekämpft, was zusätzliche Lethargie garantiert. Ein eindrückliches Beispiel lieferte der Bundesparteitag der SPD, auf der Scholz, wie mancherorts zu lesen war, eine gute Rede gehalten haben soll.

Aber hey, es gibt ja noch den Osten, hier weiß man noch, wie politisches Abenteurertum geht. Anfang Juni wird in Sachsen-Anhalt gewählt. Was die CDU macht, wenn es für die ungeliebte Koalition mit SPD und Grünen nicht mehr reicht, weiß sie selbst noch nicht. Das Einzige, was mit Gewissheit gesagt werden kann: Sie wird sich herzlich wenig darum kümmern, was die Bundespartei zu der leidigen Situation meint.

Zur Not gibt es immer noch Thüringen, das Land des minderheitsregierenden Linken, des rechtsäußeren Lord Voldemort und des Vier-Wochen-Regierungschefs von der FDP, in dem es die Black-Box-CDU vielleicht sogar schafft, einen Neuwahlbeschluss als Drama zu gestalten. Wetten, dass …?