Martin Debes über Korrumpierbarkeit.

Zu jener Zeit, als der Osten noch wild war, kam der thüringische Innenminister, der nebenher noch die ländliche CDU anführte, mit einem hessischen und freundlichen Unternehmer zusammen. Der freundliche Unternehmer äußerte großes Interesse daran, Raststätten an jenen Betonplattenpisten zu errichten, die sich Autobahnen nannten.

Was danach geschah, ist umstritten, die Staatsanwaltschaft ermittelte 1992 ins Leere. Der Minister und Parteivorsitzende gab zu, dass er von dem Unternehmer über einen Mittelsmann 20.000 D-Mark in Bar erhielt, für die Partei natürlich, nicht für ihn, es sei auch alles ordnungsgemäß im Tresor der CDU gelandet. Der Mittelsmann, ein Pfarrer, erklärte wiederum an Eides Statt, er habe dem Politiker 45.000 D-Mark in der Landtagskantine übergeben.

Der Minister blieb noch eine Weile im Amt, er wurde sogar, ganz knapp, als Landesparteichef wiedergewählt. Später, Jahre nach seinem Rücktritt, wurde bekannt, dass er sein Privathaus für eine halbe Million Euro an Steuergeld hatte aufrüsten lassen, allein aus Sicherheitsgründen natürlich.

Dann war da noch der Gesundheitsminister. Er hatte einem Mann einen Hotelpachtvertrag zu besonders netten Bedingungen vermittelt, wobei der Mann, das macht die Sache noch netter, ein früherer Stasi-IM war. Dann verkaufte der Minister noch seinen Dienstwagen, der um die 50.000 D-Mark gekostet hatte, für knapp 20.000 D-Mark weniger an einen netten Parteifreund. Nach neun Monaten.

(Der Minister, das nur in Klammern, hatte seinen Rücktritt schon verkündet, als er dabei erwischt wurde, wie er mit Sexheftchen und Hundeshampoo aus einem Laden ging, ohne zu bezahlen.)

Warum diese alten Geschichten? Erstens, weil sie menschlich sind. Quid pro quo, sagten die Römer. Dies für das. Seit Jagen und Sammeln nicht mehr reichte, war der Handel die ökonomische und politische Basis allen Zusammenlebens – und die Grundlage jeder Macht. Ein König vergab Lehen und bekam dafür Treue nebst Abgaben.

Natürlich ist jetzt manches anders, mit Demokratie, Rechtsstaat und all den anderen fragilen Errungenschaften. Jenseits des Basars in Koalitionen und Kabinetten gilt quid pro quo in der Politik als korrupt und ist verboten.

Oder? Nun ja. Manche Postenverteilung erinnert doch noch sehr an feudale Schacherei. Stellen werden, trotz Ausschreibung, oft nach Bekanntschaft und Gefälligkeit vergeben, parteiübergreifend.

Aber es fließt wenigstens zumeist kein Geld, wie bei Parteispenden. Sie galten lange als halblegaler Weg, um politisches Wohlwollen zu finanzieren. Jene, die des Missbrauchs überführt wurden, betonten stets, dass sie ja „nicht persönlich“ profitiert hätten.

Dass für derlei Affären vor allem CDU und CSU anfällig warten, liegt nicht daran, dass ihnen die schlechteren Menschen angehören, auch wenn Sozialdemokraten, Linke und Grüne fest daran glauben wollen. Es liegt schlicht daran, dass die Union am längsten die größte Macht besaß, in Bund, Land, Kommunen, und dass sie sich als wirtschaftsnah verstand.

Der Abgeordnete Mark Hauptmann verkörperte diese Nähe. Er war, wie die gut informierten Kollegen vom „Freien Wort“ schrieben, ein Politikunternehmer, ein Abgeordneter und Firmeninhaber. Bei ihm war nie klar, wo das wirtschaftliche Interesse endete und das politische Engagement anfing.

Dass er selbst nicht wissen will, was er falsch gemacht haben soll, ist ihm sogar zu glauben. Unrecht begeht sich immer leichter, wenn man sich dessen nicht bewusst ist.

Und so scheiterte der Politiker Hauptmann nicht zuerst daran, dass er sich seine Wahlkreiszeitung über Anzeigen aus fernen Regimes sponsern ließ. Er scheiterte auch nicht unbedingt daran, dass der von ihm geführte Kreisverband Geld von einer Firma erhielt, der er Profite verschafft hatte. Ja, er scheiterte selbst nicht einmal daran, dass in einem Pandemiesuperwahljahr derartige Skandale schwerer durchzustehen sind.

Am Ende scheiterte er, weil er meinte, dass die gewöhnlichen Regeln für einen extraordinären Großkönner wie ihn so nicht gälten. Ein kleiner Trost, vielleicht: Vor dieser Fehleinschätzung, die so alt ist wie die Menschheit, waren schon Bundeskanzler nicht gefeit.

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