Henryk Goldberg über einen Fehler, den er leider nicht gemacht hat.

Neulich in dieser Zeitung. Da fragte Brittas Pia, ich rede von der Kolumnen-Konkurrenz, da fragte also die eine die andere nach ihren größten Peinlichkeiten. Die Kollegin, so berichtete sie, hatte einmal den Schauspieler Wolfgang Stumph zum zweiten Teil des Trabbi-Filmes zu befragen und knüpfte ihre erste Frage an die zwei Zwerge, die er unter dem Arm trug, ob er sie wohl hier in Weimar erworben hätte.

Sie müssen wohl Teil des Filmes sein, den die Kollegin nicht kannte, und so schämt sie sich bis auf den Tag.

Ich nicht, ich kenne das cineastische Werk bis heute nicht. Aber ich sah mich durch diese Episode wieder einmal in einem Grundsatz bestätigt, den ich zum gelegentlichen Verdruss von Vorgesetzten durchgehalten habe, selbst wenn, wie es so schön heißt, die Hütte brannte: Niemals mit Künstlern über eine Arbeit von ihnen reden, die ich nicht kenne. Aber natürlich hat mich das dennoch nicht vor Peinlichkeiten bewahrt.

Die erste passierte in meiner allerersten Woche an einer Zeitung, es war überdies eine, die in der ganzen DDR erschien und als maßgeblich galt. Ich durfte oder vielmehr: musste die Kulturnachrichten redigieren, woraufhin folgenden Tages im Blatte zu lesen stand, eine Musik sei in „S-Dur“ erklungen.

Zwar, es war eine ungezeichnete Nachricht, kein Leser erkannte also den verantwortlichen Trottel vom Dienst, aber die Kollegen wussten es natürlich. Es muss wohl damals gewesen sein, als es, durchaus zutreffend, hieß, ich verstünde von S-Bahn-Karten wohl mehr als von Noten-Blättern, dass ich beschloss, kein Musikkritiker zu werden.

Als ich dann doch einmal über Musikalisches zu berichten hatte, kam dann eine „Liedsängerin“ vor. Ich kannte die „Leadsängerin“ bis dahin nur akustisch, und so verfestigte sich bei mir und anderen die Auffassung, die Musik, U, E und S, sei wohl nicht wirklich das Feld, das zu bestellen mir bestimmt sei. Deshalb auch schrieb ich zwar viel über Filme, aber wenig über die dazu gehörende Musik, deshalb auch war ich stets nur privat in der Oper. (Mit einer Ausnahme, aber das war in Finnland, und mich tröstete der Gedanke, ich wäre wohl, bis auf den Regisseur und seinen Bühnenbildner, der einzige Thüringer vor Ort gewesen.)

Natürlich, der intelligente Leser dieser Kolumne, das ist ein Pleonasmus, ich weiß, der also hat es längst bemerkt: Sowohl der hübsche Beitrag der eingangs erwähnten Kollegin als auch dieser hier, folgen einem Konzept, dem ich sehr zugetan bin. Der große Wilhelm Busch beschreibt es in seinem Gedicht „Selbstkritik“: „Die Selbstkritik hat viel für sich./ Gesetzt den Fall, ich tadle mich;/ So hab’ ich erstens den Gewinn,/ Daß ich so hübsch bescheiden bin;/ um zweiten denken sich die Leut,/ Der Mann ist lauter Redlichkeit;/ Auch schnapp’ ich drittens diesen Bissen/ Vorweg den andern Kritiküssen;/ Und viertens hoff’ ich außerdem/ Auf Widerspruch, der mir genehm./ So kommt es denn zuletzt heraus,/ Daß ich ein ganz famoses Haus.“

Sie verstehen. Aber alle verstehen das nicht. Denn es gab einen nachhaltigen Fehler in dieser Zeitung, dessen Urheber ich glühend beneide, doch der hat sich nie dazu geäußert.

Dabei wurde er auf dem Erfurter Domplatz von einem Prominenten und vor den Ohren Tausender Bürger namentlich angesprochen. Aber da der Kollege, er arbeitet nicht mehr bei dieser Zeitung, bei der erwähnten Angelegenheit, bei anderen sonst auch nicht so, gern im Dunkel bleiben wollte, werde ich ihn nicht ans Licht zerren. Ich hingegen, wäre das mein Fehler, ich hätte mich gesonnt im Glanze dieses Lichtes.

Denn eines Tages stand in dieser Zeitung etwas zu lesen von „Bernd Höcke“, Bernd! Und wenig später auf dem Domplatz rief Herr H. anklagend protestierend „Mein Name ist Björn, Herr …!“

Und so begann die deutschlandweite Karriere von „Bernd Höcke“. Oliver Welke von der „Heute-Show“ nahm das auf und setzte es durch, in der Folge wurde das ein Running Gag, sogar dem Bundestag unterlief es einmal.

Seither ärgere ich mich immer mal wieder, nicht der Urheber dieses wunderschönen Fehlers zu sein.

Denn, so sprach Brittas Pia: „Die Peinlichkeiten von gestern sind die Burner von heute!“