Henryk Goldberg schreibt eine kleine Kolumne über Omas.

Sie haben schon recht. Stefan Möller zum Beispiel, Vorsitzender der AfD-Fraktion im Erfurter Stadtrat, stellvertretender Parlamentarischer Geschäftsführer im Landtag, Ko-Landessprecher, AfD-Kandidat bei der letzten Wahl des Erfurter Oberbürgermeisters. Gelegentlich dieser Wahl diktierte er der Zeitung in den Block, sein ostdeutscher Schäferhund Freki sei „nett, kinderlieb und mit einem feinen Gespür für Normabweichungen…“.

Ich habe damals ein bisschen nachgedacht, welche „Normabweichungen“ wohl der ostdeutsche Schäferhund Freki mit seinem feinen Gespür erschnüffeln mag und was das Herrchen damit zu tun hat. Aber weil ich nicht wollte, dass hier wieder „Nur ein Satz aus dem Zusammenhang gerissen“ würde, um einen „O-Ton zu liefern, der nachher irgendeine Falschbehauptung belegen soll“, blieb ich fein still.

Nun hat mit den eben zitierten Gründen Stefan Möller vor einigen Tagen ein Interview mit den Kollegen des MDR abgelehnt. Deshalb wollen wir einmal zeigen, wie fair, wie ausführlich wir auf die Aktivität der AfD einzugehen des besten Willens sind.

Im vergangenen Jahr, Sie erinnern sich, gab es viel Empörung, weil der Kinderchor des WDR ein kleines Liedchen sang, darin es hieß „Meine Oma ist ‘ne alte Umweltsau“. Nun habe ich, obgleich ich meine Omas nie kennenlernen durfte, eine wirklich warme Beziehung zu dieser Spezies. Weil Frauen, man weiß es, multitaskingfähig sind, ist die Dame zugleich eine Oma, die Schwiegermutter auch, und ich mag die beiden wirklich, auf je eigene Art.

Allerdings, für die Oma an meiner Seite trifft nicht jedes Lob zu. „Sie flickt Klamotten und kauft keine neuen.“ Ne, die Oma an meiner Seite ist wohl eine Oma neuen Typus. Dennoch nahm ich keinen Anstand. Andere sahen das anders.

Die Erfurter AfD-Fraktion, deren Vorsitzender, wie gesagt, Stefan Möller ist, veröffentlichte dazu „eine kleine Kolumne“ mit dem Titel „Ich mag meine Oma“. „Nun“ heißt es darin, „mal davon abgesehen, dass die Menschen, die überhaupt die Idee hatten, so etwas zu veröffentlichen, in die Geschlossene oder wenigstens lobotomiert gehören…“.

Mal davon abgesehen, dass Lobotomie jener chirurgische Eingriff ist, dessen mögliche Folgen der Film „Einer flog übers Kuckucksei“ eindrucksvoll vorführte, kann es ja sein, der Verfasser ist kein Filmfreund. Oder doch? Lassen wir das.

„Ich mag meine Oma! Jeder, der das Gegenteil behauptet, gehört einfach nicht in eine Gesellschaft, die von der Familie lebt.“ Und: „Von der Familie leben, denn sie ist der Mittelpunkt dessen, was wir für heilig halten. Sie vermittelt Werte, Wissen, Erziehung und Verhalten. Das können wir nur von den Älteren in unserer Mitte lernen. Wer das verteufelt, den hat wer auch immer zu tief ins Hirn… jeder weiß, was hier stehen sollte“. Und noch: „Und wir schämen uns für jene, die euch zum Feindbild machen wollen“ . So sangen die Parzen, und zwar am 29.12. 2019.

Und am 1. Juli improvisierte Stefan Möller, der, wie schon gesagt, der Fraktion vorsitzt, die das Lob der Oma so aus vollem, reinem Herzen sang, wie folgt:

„Im politischen Alltag soll man aber nicht immer nur bierernst reagieren – man kann alternativ auch mal über den Gegner lachen. Daher: Was ist zehn Meter lang und riecht nach Pippi? Eine Omas-gegen-Rechts-Polonäse in der Staatskanzlei“. Zitat Ende.

Eigentlich wollte ich dieses feinsinnige Beispiel deutschen, nicht bierernsten Humors schon in der vergangenen Woche würdigen, aber dann wollte ich sicher gehen, dass das keine Unterstellung ist und der Verfasser dementiert. Doch er hat nicht laut dementiert, er hat leise gelöscht.

Aber das Netz hat ein nicht zu lobotomierendes Gedächtnis, sonst hätte ich hier das nicht so korrekt zitieren können, sonst wäre uns, uns Systempresse, womöglich wieder vorgeworfen worden, wir würden aus ideologischer Verblendung die Leistungen der AfD verschweigen.

Zugegeben, ich weiß nicht recht, was ich dazu sagen soll, auch will ich fair sein und nicht ideologisch. Am fairsten ist wohl, ich zitiere die Erfurter AfD, der Stefan Möller vorsteht, über Omas: „Wer das verteufelt…“.

Sie wissen schon, was hier stehen sollte.