Henryk Goldberg macht sich Sorgen um seine Ehe.

Nikolai hat zwei applaudierende Hände geschickt, Julia einen von roten Herzen umflogenen Avatar. Gabriele hat „alles, alles Gute“ gewünscht und Angelika „Alles Schöne…“ Matthias seufzte „Na endlich“ und Klaus sandte „Glückwunsch“. Gabriele fügte hinzu „Ein paar Reflexionen im nächsten Salon wären toll!“ Gern und zwar wie folgt.

Am Donnerstagmorgen, ehe ich mich auf die Arbeit, also diese Kolumne, das ist nämlich wirklich Arbeit und ich bekomme wirklich Geld dafür, ehe ich mich also auf diese Arbeit warf, warf ich einen Blick auf Facebook. Und aus irgendeinem Grunde fiel mir auf, dass meine Informationen, betreffend die familiären Verhältnisse, doch recht unvollständig waren. Also fügte ich der Abteilung „Familienmitglieder“ meine Schwester hinzu.

Das Hinzufügen eines ­weiteren Familienmitgliedes, das nicht ohne einen gewissen Einfluss auf mein Wohlbefinden ist – Sie wissen schon „Happy Wife, Happy Life“ –, das allerdings erwies sich als schwierig, denn dort gibt es nur die Wahl zwischen verschiedenen Verwandtschaftsgraden. Und ich versichere ehrenwörtlich, mit meiner Frau nicht verwandt und mit meiner Schwester nicht verheiratet zu sein. Also trug ich den Stand der Ehe und den Namen der Beteiligten anderen Ortes ein. Und erhielt umgehend, binnen einer halben Stunde, die oben angeführten Mitteilungen, für die ich mich, ohne Ironie, herzlich bedanke. Zumal Glückwunsche zum 3010. Hochzeitstag als etwas sehr Besonderes gelten dürfen, das ist zweifelsohne etwas, das Soziologen ein Distinktionsmerkmal nennen.

Ich habe das vom guten Netz ausrechnen lassen, an diesem Donnerstag waren wir 3010 Tage verheiratet. Ohne die Assistenz von Facebook hätten wir das nie erfahren. Oder wissen Sie, wann Sie 3010 Tage verheiratet waren oder, vielleicht, sein werden?

Facebook hatte den Tag der Eintragung, ruckzuck, als den der Hochzeit verbucht, und weil das ja ein soziales Medium ist, dieses erfreuliche Ereignis sogleich aller Welt mitgeteilt. Natürlich, ich hätte diesen Eintrag löschen können, aber ich hatte Angst vor den dann eingehenden Mitleidsbekundungen. Es ist auch nicht so, dass es mich wirklich störte.

Der heute, wenn Sie das lesen, bereits 3012 Tage andauernde Zustand ist so erfreulich, dass unsereiner gar nicht oft genug beglückwünscht werden kann, selbst wenn das nicht mit Geldgeschenken verbunden ist.

Blöd ist nur, dass Julia und Nikolai mein Dementi nicht lesen können, ihre Sprache ist nicht Deutsch und meine nicht Russisch, sie haben wohl das Facebook-Herz gesehen und den Text „Heirat. Heute“ übersetzt. Aber vielleicht gratulieren sie ja ihrer Verwandten zur Eheschließung und die kann das dann korrigieren.

Allerdings, ich warte noch auf Pawels Gratulation. Wir waren vor einigen Jahren zu seiner Hochzeit in Kiew und es war dort, als ich, mit allen anderen männlichen Gästen, im Rahmen der lustigen Gesellschaftsspiele zu einem Moonwalk genötigt wurde, Sie wissen schon, Michael Jackson. Womöglich wird es Sie überraschen, aber meine Bewegungsabläufe entsprechen, in Sonderheit bei musikalischer Begleitung, nicht ganz denen des großen, armen Künstlers. Jedenfalls, als Gegenleistung für diese Demütigung auf internationalem Parkett könnte Pawel mir wenigstens zur Hochzeit gratulieren. Was ich übrigens gegenüber der anderen Teilnehmerin an der ehelichen Gemeinschaft nie vergessen kann.

Das ist natürlich in erster Linie dem Umstand geschuldet, dass ich bin, was, entsprechend ihrer Selbstauskünfte, wohl alle Inserenten in den Partnerschaftsanzeigen der ZEIT sind, nämlich ein unglaublich sensibler, empathischer Mann. Zum anderen ist das ein Resultat meiner Cleverness, weil, die drei Ziffern meines Autokennzeichens entsprechen genau dem fraglichen, hochsensiblen Datum. Das Jahr hat leider nicht mehr mit reingepasst, aber dafür hab ich den Ring. Sicher ist sicher.

Allerdings, eine irritierende Unsicherheit bleibt. Facebook verzeichnet jetzt unter „Beziehungsstatus“ den Stand der Ehe und „Elena Rauch“. Und Klammer auf „Bestätigung ausstehend“ Klammer zu. Das macht mich ein klein wenig mürrisch. Ich finde, nach 3010 Tagen könnte sie sich jetzt mal entscheiden.