Henryk Goldberg über ein harmloses Fest und wirkliche Skandale.

Uff, sage ich, und bin von Herzen recht erleichtert. Meines Wissens hat keine Thüringer Bühne „Die Verschwörung des Fiesco zu Genua“ im Angebot. Denn ich stelle mir da gerade eine Szene vor, da schickt die Hauptfigur eine der wichtigsten Nebenrollen, vermutlich überhaupt die wichtigste, von der Bühne, und der bleiche Darsteller murmelt: „Der Mitbürger nichtweißer Hautfarbe hat seine Arbeit getan, der Mitbürger kann gehen.“

Und der Schauspieler, der seine Arbeit, nicht seine Schuldigkeit, getan hat, wischt sich den Schweiß von der ungeschminkt weiß glänzenden Stirn und geht in die Kantine, ein Schwarzbier trinken. Und das Publikum wundert sich, manche hatten den Satz anders in Erinnerung.

Nur die Freunde der porentiefen politischen Korrektheit lächeln fröhlich, sie haben ihre Schuldigkeit getan, sie können gehen. Zum nächsten Rassisten-Nest, vielleicht spielt ja ein Theater „Die Räuber“, und die haben nicht bemerkt, dass der Nachname der beiden Antagonisten doch mindestens phonetisch ziemlich rassistisch klingt. Oder sie gehen nach Eisenberg.

Dort wurde das Mohrenfest gefeiert. Der Mohr ist, durch eine Sage, Teil der Stadt Eisenberg, sie zeigt ihn im Wappen, es gibt einen Brunnen, ein Hotel, selbstverständlich die Apotheke, sogar eine Statue. Und es gab natürlich Proteste, und es wird sie im kommenden Jahr wohl wieder geben. Und sollte jemand tatsächlich den „Fiesco“ spielen, dann wird es, wenn der Muleih Hassan, ein Mörder und Intrigant, schwarz geschminkt sein sollte, wieder „Blackfacing“ grummeln und „Rassismus“.

Ein Mohr, wie schlimm das klingt? Halten zu Gnaden, aber ich finde: Nein. Der Mohr ist, pardon, nicht der Neger. Das eine Wort ist, kein Zweifel, heute eine Diskriminierung, auch wenn es das nicht immer war. Das andere, der Mohr, ist so alt, so ungebräuchlich, dass es schon beinahe märchenhaft erscheint. Kein heute Lebender hat dieses Wort je gehört als Ausdruck einer diskriminierenden Haltung.

Es kommt vor in den Namen von Apotheken, es lebt als Erinnerung an die Werbefigur einer Schokolade, im Übrigen ist der Sarotti-Mohr als sozusagen Werbebotschafter der Schokolade abgelöst.

Marius Jung ist ein in Deutschland geborener und aufgewachsener Schwarzer und hat vor einiger Zeit ein Buch über den alltäglichen Rassismus geschrieben. Das Buch heißt „Singen können die alle! Ein Handbuch für Negerfreunde“. Und auf dem Cover ist der Autor abgebildet, schwarz, muskulös und nur mit einer Geschenkschleife vor der Körpermitte. Dafür erhielt er, der Schwarze, den Negativpreis des weißen Studentenrates der Universität Leipzig. Rassismus, Sexismus etc., etc. Lauter Lauterkeit, bis der Arzt kommt.

Das Problem dieser Überkorrektheit ist, dass durch sie nicht selten ein ernsthaftes und wichtiges Anliegen dem Lachen der falschen Leute anheimgestellt wird, dem Grinsen derer, denen die ganze Richtung nicht passt. Und diese Leute werden, so scheint es, immer mehr und immer lauter. Im April 2018 wurden zwei Journalisten, die vor dem Haus eines Thüringer Neonazis recherchierten und fotografierten, von zwei jungen Männern verfolgt, geschlagen, verletzt, bestohlen, ihr Auto musste abgeschleppt werden.

Der Vorgang ist fotografisch dokumentiert. Diese Woche stand in der Zeitung, es werde wohl erst 2020, im nächsten Jahr, zur Verhandlung kommen. Bis dahin, mindestens bis dahin, können sich die beiden Schläger grinsend ihres Erfolges freuen, denn natürlich laufen sie frei herum. Einer war zur Tatzeit erst 18, ein sogenannter Heranwachsender. Vermutlich wollen sie den deutschen Jungen nicht die günstige Sozialprognose versauen, wenn Papa Neonazi ihn bis dahin ordentlich rannimmt.

Die Politiker derweilen erzählen nach dem Mord an Walter Lübcke, dass es nun an der Zeit sei, dem Rechtsextremismus mit der Härte des Rechtsstaates zu begegnen. Sicher, nur dass die Organe der Rechtspflege das wohl etwas anders sehen. Oder wie sonst ist diese Gleichgültigkeit, erst der Staatsanwaltschaft und dann des Gerichtes, zu erklären?

Auf Skandale wie diesen sollte Energie verwandt werden, statt unschuldige Worte wie den Mohr künstlich zu skandalisieren. Nächstens werden sie das Wort „Jude“ auf den Index setzen, es klingt irgendwie judenfeindlich, es klingt, denken viele, wie „Neger“. Immerhin, der „Mitbürger jüdischen Glaubens“ ist auf dem Vormarsch. Das ist der Rassismus der Wohlmeinenden.