Henryk Goldberg hat ein Problem und keine Lösung.

Es war wie ein Leuchten. Diese Performance der jungen schwarzen Lyrikerin Amanda Gorman zur Inauguration von Joe Biden ging um die Welt. Was auch heißt, dass ihr Gedicht „The Hill We Climb“ für die nichtenglischsprachige Welt in die jeweilige Landessprache übersetzt werden sollte. In den Niederlanden wurde damit eine junge Schriftstellerin beauftragt.

Der einsetzende Protest richtete sich nicht gegen die spezifische literarische Kompetenz der jungen Frau, sie hatte bereits einen wichtigen Buchpreis gewonnen, sondern gegen eine grundsätzliche Kompetenz, über die sie nicht verfügt: Sie ist nicht PoC, People of Color, sie ist weiß. Der Verlag entzog ihr den Auftrag.

In Deutschland ging dieser Auftrag an drei Frauen, eine weiße Deutsche, eine Deutschtürkin und eine Afrodeutsche. Kann eine schwarze Frau den Text einer schwarzen Frau, bei im Übrigen gleicher Kompetenz, besser, authentischer übersetzen als eine Frau, die diese Erfahrung nicht gemacht hat? Vielleicht. Es macht einen Unterschied, ob jemand als Bürger weiß, dass es Rassismus gibt, oder ob jemand es als Mensch erleidet. Kann und darf eine weiße Frau einen solchen Text übersetzen? Natürlich.

In dieser Woche sprach sich eine junge Mitarbeiterin im Bayerischen Rundfunk gegen das Gendern aus. Es handelt sich um eine Volontärin, die Lust und Motivation hat, sich den erwartbaren Protesten auszusetzen. Eine gestandene, prominente Redakteurin hätte sich dem womöglich nicht stellen wollen. Kann aber auch sein, es ist nicht nur Angst, kann sein, es geht ihnen wie mir.

Denn ich habe ein Problem mit dem Problem des Genderns. Ich möchte nicht als der alte weiße Mann erscheinen, der ich doch bin, und mir ein Verhalten, ein Denken anrechnen lassen, wie es dieser Spezies zugeschrieben wird: konservativ bis reaktionär, ironisch alles abwehrend, was sich nicht ins fertige Weltbild fügt. Aber ich will auch nicht tun, was mir, meinem Empfinden nicht entspricht, nur um diesem Verdikt zu entkommen. Ich verspüre einen Konflikt zwischen meinem politischen Denken und meinem Sprachempfinden. Ich kann nicht, was ich doch möchte, was ich doch sonst gern tue, entschieden dafür oder dagegen sein, mit ironischen Sottisen abwehren, was ich als sprachliche Albernheit empfinde. Denn die Albernheit im Detail, in vielen Details der gegenderten Sprache, sagt nichts über die grundsätzliche Richtigkeit dessen, was damit gewollt wird: eine Gerechtigkeit herstellen, die den Betroffenen lange verweht wurde.

Und die Betroffenen sind nicht nur Frauen, betroffen sind alle sexuellen und ethnischen Minderheiten, wobei einige dieser Minderheiten immer noch Probleme haben, als solche wahrgenommen und respektiert zu werden.

Das ist nicht mein Problem, wer sagt, es gibt nur Männer und Frauen und Schluss, wer nicht akzeptiert, dass es Menschen gibt, die sich als nicht-binär empfinden, der erlebt die Welt aus der Perspektive des Stammtisches und das wird nicht die Perspektive der Zukunft sein. Mein Problem ist eher die Frage, ob jede, wirklich jede Minderheit in jeder Rede, in jedem Schriftstück ausdrücklich und mehrfach durch Sternchen, Doppelpunkt, Unterstrich oder andere Platzhalter angesprochen werden muss.

Mein Problem ist, ob Identitätspolitik, die das letztlich ist, zum erbittert geführten Kulturkampf werden muss, mit einer Radikalität, die Fronten schafft und Feinde.

Die Entwicklung einer lebendigen Sprache wird nicht bestimmt durch den universitären Mainstream. Was vom Mainstream der Sprachgemeinschaft respektiert wird, das entscheidet die Zeit. Manche Albernheit wird nicht überleben, Wortfindungen wie „Studierende“ dagegen schon, überleben wird eine wachsende Sensibilität und das ist gut so. Auch auf die Gefahr, die intellektuelle und ethische Höhe der Gender- und Postkolonialimusforschung zu verfehlen: Ich mag nicht gendern, aber ich bin schon zufrieden, wenn ich nicht muss.

Und ich möchte, bitte, deshalb außer alt, weiß und konservativ nicht auch noch rechts sein. Denn die Suche nach Gemeinsinn, nach Toleranz, das ist der Weg auf
den Hügel, über den Amanda
Gorman so leuchtend schreibt und spricht.