Henryk Goldberg über die fatalen Folgen kulturellen Fehlverhaltens.

Also, ich mag Katzen. Der Satz mag für langjährige Leser dieser Kolumne eine Binse sein, doch war er in den letzten Jahren wohl ein wenig verblasst. Das ist keineswegs dem Umstand geschuldet, dass einer der früheren Chefredakteure, inzwischen verstorben, die Katzengeschichten, hierin gewiss dem Empfinden manches Lesers nahe, nicht so toll fand, eher banal, was sie im Übrigen ja auch wirklich sind.

Ich fand meine Katze trotzdem toll und so erzählte ich fröhlich aus ihrem, unserem banalen Alltag. Bis sie eines Tages in den Tiefen des Erfurter Südens verschwand, was eine, leider ergebnislose, Leser gestützte Suche nach sich zog. Seither lebt Mascha, wie man so sagt, tief und stumm im Süden meines Herzens. Und eine Nachfolgerin gibt es nicht, auch wenn die Dame hierüber gelegentlich Trübsal bläst, denn inzwischen wohnen wir vier Treppen hoch unterm Dach, und dort, scheint mir, ist kein angemessenes Leben für eine Katze.

Aber weil Menschen dazu neigen, das, was sie einmal mochten, aber nicht mehr können, wenigstens melancholisch zu beobachten, gehöre ich seither in gewisser Weise zu den kulturellen Underdogs. Ich sehe nämlich manchmal bei Facebook Katzenvideos und auch Darbietungen von anderen nichtmenschlichen Lebewesen. Und das Katzenvideo ist so redensartlich geworden für die Banalität der Netzwelt wie der alte weiße Mann für die Verdorbenheit der wirklichen Welt.

Aber da ich nun mal ein alter weißer Mann bin kommt es darauf nun auch nicht mehr an, will sagen, ich rezipiere gelegentlich die Tierwelt im Netz, wenigstens ist sie manchmal lustiger als die dort auffindbare Menschenwelt.

So kenne ich zum Beispiel die Tiere der Familie W., ich weiß, dass die Hündin Lisa gestorben ist und der Beo Bea auch, aber Holly, Kitty und Tilly beherrschen noch ihre Frauchen. (Der Autor legt Wert auf die Feststellung, dass der Terminus „Frauchen“ in diesem Kontext eine Herabwürdigung der bezeichneten Personen weder intendiert noch enthält. Das gilt, obwohl Ella, die neue Hündin von Frau B. ihr Frauchen nicht Frauchen nennt sondern Bine. Aber das ist eine subjektive Entscheidung von Ella, während ich das von einer Meta-Ebene her reflektiere. Ende des notwendigen Einschubs für Universitätsmitarbeiterinnen.)

Also, ich weiß das alles, weil ich es sehe und lese und Sie wissen es nun auch.

Aber andere wissen es schon länger. Sie haben mich wohl beobachtet. Ich glaube nicht, dass damals, als Mascha noch unter uns weilte, Kundschafter des Futters unser Haus umschlichen, aber jetzt haben sie mich wohl im Netz ausgespäht. Da ist ein Typ, Mittelstand, Rentner und trotzdem noch so fit, dass er im Netz ist. Und der guckt manchmal diesen Hunde- und Katzenkram, mitunter liest er auch. Interessant. Womöglich hat er auch selbst eine Katze und die muss fressen. Aha. Welchen unserer Kunden interessiert das? Genau.

Und deshalb werde ich nun stündlich aufgefordert, mich im FELIX Club anzumelden, mir einen Gratis-Napf, ich nehme an, für die Katze, zu sichern, denn nur als Clubmitglied hab ich die Chance, Teilnehmer an exklusiven Aktionen zu werden. Das Ganze kommt von der Firma Purina, Katzenfutter, was hier keineswegs als Schleichwerbung gelten soll, eher im Gegenteil.

Denn das ist nicht einfach Spam, Müll, den man löschen kann. Das Ding steht oben im Posteingang, sieht etwas anders aus als eine Mail und ist nicht löschbar. Das hat sich irgendwo, irgendwie, irgendwann ins System gefressen und insistiert, dass ich was zum Fressen kaufe.

Ich habe dem Unternehmen geschrieben, und die, schreiben sie, „schätzen es sehr, dass Sie uns schreiben“. Und natürlich, schreiben sie, werden sich ihre Experten, „schnellstmöglich bei Ihnen melden“. Wahrscheinlich analysieren sie ihre Marketingstrategie brutalstmöglich, da dauert das halt bisschen länger.

Wenn ich nicht doch noch eine Lösung im Netz finde, werde ich mir das wohl noch ziemlich lange anschauen müssen.

Aber, liebe Werbetreibende, selbst wenn ich hier ein Tierheim einrichten sollte, was sie da
mit einem harmlosen, aber
jetzt etwas mürrischen Tierfreund
veranstalten, das ist: Für die
Katz.