Henryk Goldberg fragt sich, was sein schönstes Ferienerlebnis war.

Also diesmal ist es echt schwer. Ich meine, schönstes Ferienerlebnis und so. Das Abendessen in Como, die Tempel in Agrigento, der Wein in Syrakus, das Autofahren auf Sizilien? Oder die Notfallambulanz in Genua? Oder womöglich doch Leutkirch im Allgäu?

Als wir uns in Genua noch einmal im Hotel streckten, um nach den Annehmlichkeiten der Fähre nun die Fährnisse des italienischen Straßenverkehrs zu wagen, da streckte es die Dame hin. Auf eine Weise, die dank der freundlichen Assistenz des Hotels Olympia, in die Notfallambulanz führte. Kennen Sie Notfallambulanzen? Genau, und in Genua fühlt sich das noch etwas anders an, etwas, sagen wir, familiärer. Sie verteilen dort Nummern für die Patienten, sie hatte die G71, und im Warteraum kann man den Status der Inhaberin dieser Nummer beobachten. Sie hatte grün, was mich etwas entspannte, denn das sind die Patienten, mit deren Ableben absehbar nicht gerechnet wird. Kaum waren drei Stunden vorbei, da kam sie in den Warteraum. Die Schmerzen weg, eine spontane Selbstheilung , sie hatte sich selbst entlassen. Ich war dagegen, aber mach was. Unsereiner ist da deutlich weicheiiger, ich hätte auf den Arzt gewartet.

Am übernächsten Tag fuhren wir durch Baden-Württemberg, da ging es wieder los, es war nicht lustig, es war so, dass der Fahrer nervös wurde. Das Navi zeigte das nächste Krankenhaus in Leutkirch im Allgäu an. Aber auch anderswo werden Krankenhäuser geschlossen. Nur ein eigentlich schon berenteter ambulanter Chirurg war übrig geblieben. Der Mann, alte Schule, „ich arbeite noch analog“, ergriff Maßnahmen, die wohl Früchte trugen. Außerdem, so erzählte er, sei seine Mutter in Erfurt geboren, sein Vater habe hier einst, in den Dreißigerjahren, die Frauenklinik geleitet und seine Cousine singe hier an der Oper. Dr. L. kann also als ein sympathischer Mann gelten, der überdies seinen Job beherrscht und es gab bislang keine weiteren Zwischenfälle mit und für die Dame.

Aber mit mir. Backenzahn links unten, sie nennen ihn, glaube ich, 3.7. Als hätte eine höhere Macht gnädig respektiert, dass der Mann seine Frau erst nach Hause fahren muss, ehe er dran ist. Zwei Nächte, in denen ich viel Zeit hatte, die zurückliegenden Urlaubserlebnisse nachzuschmecken. Frau Dipl.-Stom. B., wiegte bedauernd den Kopf, da sei wohl nichts mehr zu machen, der müsse raus. Aber nicht durch sie, da könne dies & das passieren, was uns beiden nicht gefiele. Und schickte mich zu Dr. D., Oralchirurg. Während ich dies schreibe, stehe ich, sozusagen, unter dem Eindruck seiner Arbeit an mir, die im Übrigen erfolgreich war.

Sein Bruder Matthias, eines der vielen jungen Talente, die ihre Karriere in dieser Zeitung begannen, um sie, anders als der eingefleischte Thüringer, der ich bin, anderswo fortzusetzen, hat mich einst gelegentlich in dieser Kolumne vertreten, wenn ich Urlaub hatte oder, sagen wir, Zahnschmerzen. Wish you were here. Aber das, was dann kam, das hätte er auch nicht für mich übernommen. Und es war tatsächlich alternativlos. Entweder ich ziehe den Anzug an, was ich nicht mag, oder wir gehen einkaufen. Denn, so lautete das Diktum, es gibt kein passendes Jackett zu dieser Hose und ein Hemd auch nicht. Die beiden Damen, die eine und die junge, nahmen mich in die Mitte, es fühlte sich an wie begleiteter Ausgang. Das Jackett lief ganz gut, knappe halbe Stunde, ok, hieß es, das geht. Für das Hemd wurde die Assistenz einer jungen Verkäuferin in Anspruch genommen. Halsweite, Hüfte, irgendwie passt das aber nicht zusammen bei mir. „Trägt er“, so wurde die offenkundig für mich Verantwortliche gefragt, „den Kragen oben mehr offen oder mit geschlossenen Knöpfen?“

„Er“, mischte ich mich ungefragt ein, „lässt gern einen Knopf offen.“

Sie gab mir ein sogenanntes Probierhemd, um festzustellen, dass es meine Größe nicht gibt. In dem anschließenden Hemden- und Krawattenfachgeschäft, gab es das Richtige. Die Wahl der Krawatte ging 3:1 gegen mich aus, die Verkäuferin nötigte mich zum Probieren eines weiteren Hemdes, „wegen der Passform“, und rief dem verschüchterten Kunden aufmunternd in die Kabine „Wenn Sie fertig sind kommen Sie raus!“ . Es ge­­-

schah. Uff.

Aber was tut man nicht alles für die gute Sache – und dieses Mal ist sie wirklich gut. Denn Luise und Ilja und Emil heiraten heute. Und das soll nun tatsächlich mein schönstes Ferienerlebnis sein.

Alles, alles Gute.