Henryk Goldberg mag 23,4 Prozent der Thüringer Wähler nicht.

Jetzt ist es ja vorbei, jetzt kann man es ja sagen: Nein, ich habe Mike Mohring nicht gewählt. Aber ich verstehe und respektiere jeden, der dem CDU-Mann seine Stimme gab, wertkonservativ, weder links noch rechts. So zu denken ist Teil der Demokratie und in keiner Weise ehrenrührig. Und ich verstehe und respektiere jeden, der die AfD…?

Nein.

Am Vorabend der Wahl gab es eine fröhliche, festliche Feier in der Alten Synagoge von Erfurt. Ein kluges Grußwort des Ministerpräsidenten, der die Juden mit den Muslimen zusammen dachte, der Landesrabbiner, der Vorsitzende der Landesgemeinde. Dann das Publikum. Der Erste aus dem Saal sagte, er sei Rechtsanwalt und Stadtrat für die AfD und empört, wie, dem Sinne nach, seine Partei hier als eine Versammlung von Nazis diskriminiert würde.

Mir fiel da ein kleiner Text ein, den ich in Facebook gelesen hatte: „Nicht jeder, der Höcke wählt, ist ein Nazi. Aber jeder, der Höcke wählt, wählt einen Nazi.“

Dieser Satz ist übrigens juristisch unbedenklich, seit ein Thüringer Gericht es für angemessen betrachtet, Höcke einen Faschisten zu nennen – es sei denn, jemand mag aus philosophischen Gründen einen Unterschied zwischen „Nazi“ und „Faschist“ zu erkennen. So wie Höcke aus eben solchen Gründen darauf bestand, dass „das große Problem ist, dass man Hitler als das absolut Böse darstellt. Wir wissen aber natürlich, dass es in der Geschichte kein Schwarz und kein Weiß gibt. Und dass es viele Grautöne gibt“.

Man benötigt ein sehr, sehr feines Instrumentarium, um im historischen Wirken Adolf Hitlers „viele Grautöne“ zu erkennen. Ein Instrumentarium, über das wohl nur verfügt, wer eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ vollzogen hat. Dieser Rechtsanwalt und Stadtrat, der sich so beklagte, ich kenne ihn nicht, aber ich glaube ihm das, ist wohl weder ein Antisemit noch ein Nazi. Na und? Nicht jeder, der für die AfD ein Mandat ausübt, ist ein Nazi. Aber jeder, der für die AfD ein Mandat ausübt, weiß, dass er einem Nazi zur Macht verhilft. Und deshalb ist mir die persönliche, die menschliche Integrität eines solchen Menschen gleichgültig, deshalb habe ich nicht das geringste Interesse an einem Gespräch mit ihm.

Es ist schlimm genug, dass solche Menschen im gesellschaftlichen Leben vorkommen, in meinem persönlichen Leben kommen sie nicht vor. Ist das ignorant? Womöglich ist es das, aber es ist nicht halb so ignorant wie ihr Verhalten gegenüber der Geschichte, gegenüber einem Begriff wie dem der gesellschaftlichen Verantwortung. Ich bin kein aktiver Politiker, kein analysierender Soziologe, ich kann mögen, wen ich will. Und die eben nicht. Und auch nicht ihre Wähler. Nein, die sind überwiegend keine Nazis (abgesehen von den ehemaligen NPD-Wählern, die erkannt haben, wo sie ihre Stimme effektiver einbringen können), sie wählen nur einen.

Und sie wissen es. Jeder kann es wissen, jeder, der in der Lage ist, sein Wahllokal zu finden und dort seinen Wahlschein zu lesen. Obgleich manche den Eindruck erwecken, als wäre das Kreuz, das sie malen, die ihnen gemäße schriftliche Ausdrucksform.

Ich weiß, das sage ich jetzt über mehrere Hunderttausend Thüringer und womöglich ist das arrogant. Kann schon sein, aber da denke ich nicht so differenziert wie der Frontmann, den sie gewählt haben, der bei Hitler „Grautöne“ entdeckt. gegenüber so viel Dummheit und Ignoranz bin ich es eben.

Der Bäcker im Dorf hat geschlossen? Die Kneipe hat dichtgemacht? Irgendwie fühlt sich das alles so scheiße an? Kann schon sein, das soll man denen da oben auch zeigen und sagen. Aber nicht denen. Nicht dem Höcke, der die „Wende vollenden“ will. Die „erinnerungspolitische Wende“, deren erste Vorboten heraufdämmern, wenn Nazideutschland zum „Vogelschiss“ zusammenschnurrt. Habt ihr das gewusst? Habt ihr die Schultern gezuckt? Nicht dem Brandner, dem Proll, der im Netz herumlungert und nach Halle lächelnd den Satz weiterverbreitete: „Warum lungern Politiker mit Kerzen in Moscheen und Synagogen rum?“

Habt ihr das gelesen? Habt ihr „Na und?“ gesagt?

Nein Leute, die ihr die AfD gewählt habt, ich mag euch nicht. Ihr seid, finde ich, ziemlich blöde.