Henryk Goldberg über eine Maßnahme, die sich bewährt hat.

Also, Ciao. Hä? Ach so, ich übe schon. Ich lasse, wenn Sie das lesen, nämlich den Leser, wie man in Zeiten des generischen Maskulinums noch sagte, einen guten Mann sein und mache mir einen guten Tag, drei Wochen lang. Unterwegs in das Land, da die Leute sich so zu verabschieden pflegen. Und heute Abend bin ich womöglich Teilnehmer eines Bergamasker Tanzes. Ich hoffe es nicht, aber da dieser Tanz als „tölpelhaft“ beschrieben wurde, was schon Shakespeare wusste, würde er mir wohl entsprechen als der Albtraum einer Sommernacht. Musik und Sommer und tölpelhaft – das führt uns wie von selbst so leicht auf die schöne Stadt Erfurt.

In diesem Sommer haben sie es noch nicht geschafft, aber vielleicht klappt es zur nächsten Saison. Natürlich, die Zeit war etwas knapp. Sie haben, wohl erwogen, erst einen Tag vor der Fete de la Musique die Absicht verkündet, Straßenmusiker in Erfurt vor dem Auftritt von einer Jury begutachten zu lassen. Das war eine klare Botschaft an Wolfgang Beese und die Freunde dieser noch immer ungeregelten Musikfete: Hier, in unserer Stadt, die immerhin Petra Zieger und Jörg Hindemith zu ihren Töchtern und Söhnen rechnen darf, kann nicht einfach jeder so drauflos singen und spielen, wie es den Darbietenden beliebt.

Wir haben hier in der Gegend schließlich eine gewisse Tradition. Und die hat sich bewährt. Damals hieß das „Pappe“, die Auftrittserlaubnis wurde von den zuständigen Organen zugeteilt nach Prüfung von diesem und jenem, manchmal ging es sogar um die Musik. Oder die Setlist. Die hieß damals wohl anders, aber wir sind ja schließlich eine moderne Stadt und nicht von gestern. Wir sind ja nicht mehr die DDR, nicht wahr, wir sind von dem souveränen Thüringen die souveräne Hauptstadt. Und wir machen natürlich nicht mehr diesen Mist mit der Ost-West-Musik.

Also, das ist jetzt mein Vorschlag, fordern wir doch von jedem Straßenmusiker ein Repertoire, das zu 60 Prozent aus Thüringer Musik besteht. Daran schließlich ist kein Mangel. Nehmen wir nur die volksnahe Musik rund um den Kloß, das ist beinahe ein eigenes Subgenre. Falls das jetzt jemand vom musikalischen Aufsichtspersonal der Stadt nicht verstanden hat, „Subgenre“ bedeutet – nicht so ganz genau, aber so ungefähr –, dass es ziemlich viel Kloßmusik gibt.

Und die entsprechenden Texte sind eingängig, verständlich und bilden den Charakter von uns Thüringern sehr schön ab. Zum Beispiel „Thüringer Klöße ess ich gern/die schmecken mir am besten/ Ich bin danach ganz süchtig/ die Klöße sind mir wichtig“. Das war schließlich ein Hit auf YouTube, es würde auch auf unseren Straßen Jung & Alt erfreuen, es würde dem Publikum gleichsam ein fröhliches „Come Kloßer“ entgegenschmettern.

Und, natürlich, das Rennsteiglied. Eine kleine theoretische Prüfung über Leben und Wirken von Herbert Roth würde schnell erweisen, ob diese Künstler, die unseren Menschen das Geld aus der Tasche ziehen wollen, über ein tieferes Verständnis für Tradition und Mentalität unserer Republik – äh, Pardon: unserer Stadt verfügen. Aber selbstverständlich ist auch ernsthafte Musik erwünscht.

Zum Beispiel wirkte ja Martin Luther in dieser Stadt, den Felix Leibrock in seinem Roman „Lutherleben“ als wiedergängerischen Straßenmusiker auftreten lässt. Es spricht also, liebe Freunde der Straßenmusik, nichts dagegen, Luthers Hit „Eine feste Burg ist unser Gott“ zu performen. Oder auch „Erfurter simmer, das lass ma uns nicht sagen/ und wenn einer frech wird, dann pack mern an dem Kragen“. Das könnte die Hymne der Stadtverwaltung werden, außerdem käme so womöglich ein partizipatives Element in die Straßenmusik. Das wird genommen in der modernen Kunst.

Gut, Sie haben schon recht, das war jetzt ziemlich übel übertrieben. Das wäre ja so, als, sagen wir, als würde also einer erzählen, die Stadt habe von einem ihrer Mitarbeiter, der an Bachs Geburtstag bisschen Bach auf der Straße spielt, erst ein saftiges Bußgeld verlangt und, als der das nicht zahlen wollte, ihn dann vor Gericht gezerrt. Wie? Das hat es gegeben? Sind Sie sicher? Nun ja.

Und jetzt stelle ich mir vor, es bewürbe sich ein deutlich älterer Herr bei der Jury um die Lizenz, er wolle bisschen spielen auf der Straße hier, ehe er an die Himmelstür klopft, er sei eines Zimmermanns Sohn und heiße Robert. Die Mitglieder der Jury wiegen die Köpfe, schauen sich an und entscheiden: Ne. Der nuschelt so.