Henryk Goldberg über bestimmte Aspekte der Wiedervereinigung.

Also, alle reden jetzt von der Wiedervereinigung, da kann und will diese mainstreambasierte Kolumne sich nicht abseits stellen. Reden wir also von der Wiedervereinigung, der Wiedervereinigung der Socken.

Selbstverständlich meinen wir nicht die roten Socken, die kommen hier gar nicht vor. Wir lieben nur und ausschließlich die schwarzen. Nämlich, es ist ja jetzt der Herbst gekommen. Was auch bedeutet, dass die Sandalen ausgedient haben.

Zwar, an manchen Tagen ginge es noch mit ihnen, aber das ginge nur mit Socken. Das aber geht gar nicht. Sagt wenigstens die Dame und die übrigen Damen würden ihr wohl mehrheitlich zustimmen. Dabei, kein Mensch, wenigstens kein männlicher Mensch, versteht das wirklich.

Die sichtbare Socke macht die Sandale zu keinem anderen Schuh, der sichtbare nackte Fuß des Mannes ist, bei aller Wertschätzung, doch nicht um so vieles ästhetisch höherwertiger als die dann statt dessen sichtbare Socke. Aber es geht nicht, weil es nicht geht, es sieht doof aus weil es doof aussieht.

Kann sein, die Ur-Eva hat das einst so festgelegt, weil der ­Ur-Adam dort auch keine Socken trug, wie sie nach dem Genuss der verbotenen Speise feststellte. Kann auch sein, in der ersten Verwirrung, dem ersten Erschrecken erschien ihr der Fuß als das Angenehmste, weil er ihr nicht so fremd aussah wie große oder kleine Teile des Übrigen. Was, im Übrigen, die irrationale Affinität all ihrer Töchter zu Schuhen erklären würde.

Nach dieser kleinen Exkursion in die noch junge Disziplin der textilanalytischen Bibelwissenschaft aber hat uns die Gegenwart wieder in ihren Klauen. Und zwar jeden Tag. Und zwar dann, wenn ich die Socken suche.

Nicht dass es nicht hinreichend viele gäbe, da steht so eine Kiste im Schrank, die ist voll davon. Es ist nur, dass es nicht genügend gleiche gibt. Es ist nur, dass nicht zusammenliegt, was zusammen gehört. Die Wiedervereinigung der schwarzen Socken ist das Problem. Ein Problem, an dem auch diese arroganten Wessis, die meinten, nun würden alle Probleme gelöst, deutlich gescheitert sind.

Zwar, meine Socken sind alle schwarz, aber es gibt endlos viele Varianten von Schwarz, die schwärzesten tarnen sich blau und halten Angela Merkel für eine rote Socke. Das sind, sozusagen, die Schweißfüße der Gesellschaft.

Neben den akzeptablen Abstufungen von Schwarz gibt es dann noch verschiedene Muster, verschiedene Längen, man glaubt nicht, welche Artenvielfalt in der Welt der schwarzen Socken zu beobachten ist, wenn Mann dafür zwangssensibilisiert wird. Ich weiß nicht, ob und wie das Problem in anderen Lebenskollektiven gelöst wird, eigentlich wäre es nicht so schwer, wenn die jeweilige Dame die Socken einfach sortieren und zusammenrollen würde, kann doch nicht so schwer sein.

Ja, ja, ich weiß schon, die ­sogenannte Emanzipation, muss ja wohl sein, in Gottes ­Namen, seufz.

Meine Lösung ist so einfach wie genial: Ich kaufe nur noch absolut gleiche Socken, so ergeben beliebige zwei immer ein homogenes Paar. Aber es funktioniert nicht. Ich kaufe manchmal fünf Paar am Stück, aber das reicht nicht. Es müssten 20, 30 Paar sein und alles Übrige, was dann noch in der Sockenkiste ist, konsequent entsorgt. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie kriege ich das nicht hin.

Aber manches an der Wiedervereinigung ist schon ganz okay. Die Dame zum Beispiel hat gelernt, wie man im Kapitalismus mit Geld umgeht. Als wir gemeinsam den Auftrag einer größeren Schreiberei übernahmen, da machte ihr die Verantwortliche ein ordentliches Honorarangebot. Ich, in meiner schlichten Art, hätte nicht gehandelt und einfach okay gesagt. Die Dame aber sagte geistesgegenwärtig „Was, so viel?“ und so es gelang ihr, nach harten Verhandlungen, das Honorar um 200 Euro zu ­drücken.

Vor einigen Monaten verloren wir im Parkhaus am Domplatz den Chip, später fand er sich wieder im Auto. Das sei, sagte die Dame, eine gute Geldanlage und steckte ihn ein.

Diese Woche parkte sie dort und hat wohl den aktuellen Chip verwechselt. Stimmt schon mit der Geldanlage, der Automat zeigte die Wertsteigung an, 3480 Euro. Sie hat, behauptet sie, nicht bezahlt.