Henryk Goldberg über die Frage, wer Menschen vor Datenschützern schützt.

Also, heute früh, bei mir ist grad Donnerstag, da hat der junge E. aus W. hier Schule gehabt, Homeschooling. Bei ihm in W. sind sie noch nicht so weit mit dem Internet. Es lief ganz gut, Frau R., die Lehrerin, hat E., ich zitiere, „ein großes Lob“ ausgesprochen. Ich reduziere hier die personenbezogenen Daten, um selbige zu schützen.

Und, das ist jetzt nicht geschwindelt, die junge L. hat grad ein Seminar, wirklich, im Nebenzimmer. An dem ersten, da war sie noch mit ihrem Neffen E. unterwegs, hat ein gewisser J. für sie teilgenommen, der sich als L. ausgab. Manchmal frag ich mich ein wenig bang, wie vielen Ärzten ich in einigen Jahren, vielleicht, begegnen werde, die damals, als Corona war, das eine oder andere Online-Seminar versäumt haben. Und ob ich wirklich so lange leben will, bis sie Oberärzte sind.

Aber jetzt ist sie wirklich dabei, jetzt hat’s Zoom gemacht.

Auf Zoom. Das ist, wer es nicht weiß, eine Plattform, auf der sich problemlos Videokonferenzen abhalten lassen, ein Umstand, der sie ein wenig von der Thüringer Schulcloud unterscheidet. Das mag manchem als ein Vorteil erscheinen, allerdings hat Zoom einen entscheidenden Nachteil: Es besitzt nicht das Vertrauen von Dr. Lutz Hasse. Der Mann, mancher erinnert sich womöglich, ist der Thüringer Datenschutzbeauftragte sowie, wir sagen das jetzt ganz leise, so ganz unter uns, ein Thüringer Ärgernis. Wenn E.‘s Fernunterricht auf Zoom stattgefunden hätte, so wie es die verantwortungslose Universität Greifswald für richtig hält, aber hallo, da würde Frau R. aber tüchtig Ärger bekommen, da würde sie aber so was von löhnen müssen.

Was natürlich vollkommen richtig ist. Schließlich, die NSA oder die CIA oder die FDJ könnten so relevante Daten abgreifen wie E.‘s Mathe-Lob, die IP-Adresse des Laptops von E.‘s Oma oder den Umstand, dass ein bestimmtes Haus in einem bestimmten deutschen Ort nicht über Internet verfügt.

Das ist schon beinahe Wirtschaftsspionage.

Und jetzt hatte sich folgender Skandal zugetragen. Die Thüringer Landesschülervertretung (LSV) verfiel auf den Gedanken, der Thüringer Bildungsminister Helmut Holter könne sich doch einmal mit Thüringer Schülern über die Probleme Thüringer Schulen unterhalten, es gibt ja schließlich dies und jenes zu klären. Der Minister wiederum fand, ein solches Gespräch gehöre zu seinen Aufgaben, zumal in schwierigen Zeiten.

Also fand das Gespräch statt und alles war gut.

Nein, natürlich nicht. Denn jetzt kam Herr Dr. Hasse und tat folgendes: Er leitete einen Prüfvorgang ein. Und zwar gegen den Minister und den Sprecher der Landesschülervertretung. Beide sollen einen Fragenkatalog beantworten.

Und für den Fall, dass sie das nicht bis zu einer gesetzten Frist, die wohl heute ausläuft, erledigt haben sollten, hat er ihnen, dem Minister und dem Schülervertreter, schon mal die Instrumente gezeigt, denn dann werde er „einen kostenpflichtigen Bescheid erlassen, in dem Sie zur Beantwortung der oben genannten Fragen verpflichtet werden“.

Es geht darum, dass Helmut Holter mit den Schülern über die Plattform Instagram kommunizierte, die ein US-amerikanisches Unternehmen ist. Es geht darum, dass amerikanische Firmen die Namen deutscher Schüler und, Gott behüte, den eines Thüringer Ministers abgreifen und missbrauchen könnten. Und es geht, das vor allem, darum, dass der Thüringer Datenschutzbeauftragte ein narzisstischer Wichtigtuer ist. Ein Mann, dem die Wirkung dessen, was er tut, vollkommen gleichgültig ist, sofern er sich in Übereinstimmung mit den Paragrafen weiß. Und ein Mann, der die Macht liebt, die ihm diese Paragrafen leihen, weswegen er die Instrumente gern und ohne Not vorzeigt.

In gewisser Weise erklärt dieser Mann Deutschland, oder doch einen Teil davon. Es ist die teilweise Ignoranz der Gerichte, der Juristen – Hasse ist Jurist – , gegenüber der Wirklichkeit.

Der Ursprung, der Impuls dieser Ignoranz, die Unabhängigkeit von allen und allem, ist richtig und wichtig, die Folgen ihrer Exzesse sind zu Teilen fatal. Der Typus Lutz Hasse erklärt auch, warum viele kreative Menschen an und in diesem Land verzweifeln. Kreative Thüringer sollten geschützt werden vor diesem Datenschützer.