Henryk Goldberg über einen kalten Ofen und gewetzte Messer.

Also, wir waren zusammen im Bett, der Axel und ich. Beim Vossi. Ich meine, der Vossi hat es so gewollt. Und, das muss jetzt gesagt werden, weil das hier eine saubere Familienzeitung ist, der Vossi war kein heißer Ofen. Denn sonst hätten wir ihn ja nicht anfassen können, denn sonst hätten wir uns ja die Finger verbrannt, am Ofen. Es war, tatsächlich, die Nacht vor Vossis Geburtstag, und er muss sich wohl sein Geschenk erträumt haben, den Axel und mich. Denn ihm träumte, der Axel und der Henryk, sie würden seinen Ofen reparieren. Und hätten dabei, so berichtete er es auf Facebook, einen sehr professionellen Eindruck gemacht, weshalb es nach Abschluss der Reparaturarbeiten ein ordentliches Trinkgeld gegeben hätte.

Der Kollege Michael V., aka Vossi, war mir nie aufgefallen durch orgiastische Fantasien, eher durch Freundlichkeit, Kompetenz und seriöse Recherche. Vermutlich diese tiefgründige Recherche muss ihn von meiner Befähigung zu dem nächtlichen Geschäft überzeugt haben.

Immerhin, ich war einmal Heizer im Erfurter Opernhaus, als dort noch Opern gespielt wurden, und es wäre mir fast gelungen, den Neubau dieser Oper um einige Jahrzehnte zu beschleunigen, indem ich beinahe das Haus sprengte. Am Ende fiel mir Harald Gebauer in den Rücken, den die Künstler angerufen hatten, als der Bühnenboden während der Probe unter ihnen zu beben begann, weil ich sämtliche Heizstränge, bis auf den für die Bühne, abgedreht hatte.

Weil niemand bemerkte, dass ich so eigentlich ein Signal gegen die Kulturpolitik des Regimes setzen wollte, durfte ich dann trotzdem studieren, und dabei ereignete sich ein weiterer heizungstechnischer Zwischenfall.

Ich bekam ein Zimmer, in dem ein mit viel Asche gefüllter Ofen stand. Ich bin ein ordentlicher Mensch und schüttete die Asche ins Klo. Das war, wie man so sagt, ein Griff in die Schüssel, denn nun verwandelte sich die Asche in eine Art Zement. Ich bekam von einer Stelle für Heimwerker einen meterlangen Bohrer geliehen, mit dessen Hilfe die Toilette nach einigen Stunden wieder benutzbar war.

Kann sein, dass sich der Vossi an diesen souveränen Umgang mit Heizkörpern erinnerte, selbstverständlich hatte diese Zeitung exklusiv berichtet, als er ausgerechnet mich zum Kameraden der nächtlichen Ausschweifung erkor. Im Eigentlichen aber kann das wohl als Beleg seiner tiefen, vorurteilsfreien Menschlichkeit gelten, denn er ist wohl der einzige Mensch auf der Welt, der ausgerechnet von mir träumt, wenn handwerkliche Fähigkeiten gefragt sind. Für Frauen, war und bin ich in solchen (in solchen!) Zusammenhängen ein Albtraum.

Aber vermutlich hätte Axel E., der dritte Mann in dieser Nacht, die Dinge wieder ins Lot gebracht. Axel ist, wie der Vossi, ein vorzüglicher bis fanatischer Läufer, beide haben Marathon-Zeiten, deren Kenntnisnahme ich aus Gründen der Selbstachtung verweigere. Das muss damals bei der Einstellung Bedingung für TA-Sportredakteure gewesen sein.

Axel ist zudem ein Mann, der die Dinge zu bedenken weiß, vor allem, Achtung Wortspiel!, wenn er mit Schwarz spielt. Will sagen, wenn irgendwo hier ein Schachpromi beim Simultan nicht zu Null gewinnt, ist häufig der Internationale Fernschachmeister und Träger des Deutschen Schachpreises Axel E. mindestens mitschuldig. Also, wir hätten dem Vossi seinen Ofen schon irgendwie heiß gekriegt.

Diese ganze Träumerei weiß ich, weil die beiden Jungens es auf Facebook erzählt haben, sich, mir und dem Rest der interessierten Welt.

Und vermutlich wird sich niemand darüber erregen, schließlich, der Vossi kann träumen, wovon er mag, sogar von Axel und mir.

Und, übrigens, ich auch.

Davon zum Beispiel, dass ein Politiker einmal machen könnte, was alle machen (mit dem Unterschied, dass er im Clubhouse nicht die Klappe halten kann), ohne dass die anderen umgehend die Messer wetzen und zum fröhlichen Jagen blasen.

Davon, dass die Heuchelei auf allen Ebenen etwas unausgeprägter wäre.

Davon, dass ein kommunikativer Schuss in den Ofen nicht umgehend mit politischen und medialen Bauchschüssen beantwortet wird. Aber so ist die WELT nicht verfasst.