Frank Quilitzsch hat den Dialog zweier alter Fichten belauscht.

Der Wald steht still und schweiget? Mitnichten! Biologen haben herausgefunden, dass Bäume mit Hilfe von Botenstoffen kommunizieren. Auch akustisch im für Menschenohren eigentlich nicht wahrnehmbaren Ultraschallbereich. Dass Bäume seufzen und klagen, wissen die Förster seit Langem. „Wenn die Bäume schreien könnten, hätten wir jetzt im Wald einen ohrenbetäubenden Lärm“, erklärte nach dem Hitzesommer 2019 der Leiter des Nationalparks Hainich, Manfred Großmann.

Ich stelle mir vor, wie ich zu Ostern auf dem Oberhofer Schlossberg, wo die ältesten Fichten Deutschlands stehen, zwei der
300-jährigen Damen belausche:

„Durst. Ich habe Durst!“

„Reiß dich zusammen, Hermine. Das ist nicht die erste Trockenzeit, die wir durchmachen müssen...“

„Aber sie dauert nun schon drei Jahre. Der Winter war wieder viel zu trocken, Mathilde. Meine Wurzeln ziehen kaum noch Wasser.“

„Denk an was Schöneres, Hermine. Schau auf Oberhof!“

„Das tu ich doch. Aber wo sind die Menschen? Niemand spaziert durch unseren Wald. Selbst die Kirchen sind leer – zu Ostern!“

„Das ist das Coronavirus.“

„Was?“

„So was wie der Borkenkäfer.“

„Schrecklich. Ich weiß nicht, was ich tun soll, wenn der Käfer demnächst wieder anfliegt.“

„Du musst das Bohrloch verkleben, Hermine.“

„Kein Wasser, kein Baumharz.“

„Hör auf zu jammern!“

„Wenn nur dieser Durst nicht wäre! Denkst du manchmal an den Tod, Mathilde? Manche Menschen glauben, dass sie in den Himmel kommen.“

„Wir sind doch schon im Himmel, Hermine. Mit unserer Krone.“

„Ich meine, wenn uns irgendwann der Sturm fällt. Was ist dann?“

„Keine Ahnung.“

„Ich hoffe, der Geigenbauer kommt wieder. Unser Holz hat einen guten Klang.“

„Ach, Hermine. Hast du nicht gehört, was er gesagt hat? Er sagte, es ist nicht gut genug für die Geige. Es reicht höchstens für ein Cello.“

„Nur?! Stell dir vor, Mathilde, wie spielen eines Tages als Fichten in einem Orchester mit...“

„Träum weiter, Hermine. Das Leben ist kein Wunschkonzert.“