Frank Quilitzsch über die Lebenslust des Georg (Orge) Zurawski.

Liebe ist ein Gefühl, das martert jeden …“, singt er zur Gitarre. Er interpretiert das Lied auf Jiddisch, und die Kamera fängt groß sein Gesicht ein: ein Altersgesicht mit weißem Stoppelbart, weißen Augenbrauen und Nickelbrille, in dem junge, sehr lebhafte Augen leuchten.

Ich habe noch einmal die DVD eingelegt. Vor mir liegt aufgeschlagen der Bildband über sein kleines, eigenhändig erschaffenes Welttheater. Doch eigentlich brauche ich beides nicht.

Als mich die Nachricht von Georg Zurawskis Ableben erreichte, lief ich durch den Thüringer Wald. Für einen Moment hielt ich den Atem an. Der Wind rauschte, Vögel zwitscherten, und ich konnte ihn singen hören. Und lachen.

Orge, wie wir ihn nannten, liebte das Leben. Das ihm zuweilen übel mitspielte. Doch er ließ sich nicht unterkriegen, er hat mit seinem Am-Vieh-Theater das kleine Dorf Beulbar bei Thalbürgel berühmt gemacht. Jahrelang lud er Künstler aus Deutschland und Übersee, aber auch die Einheimischen in sein Refugium ein. Bis der in die Jahre gekommene Sänger und Musicaldarsteller sein Lebenswerk in die Hände Jüngerer geben musste.

„Ich habe losgelassen, denn ich weiß, dass es so weitergeführt wird, wie ich es mir wünsche“, sagte der 80-Jährige, als ihm im Erfurter Angermuseum die Kulturnadel des Freistaats verliehen wurde.

Ich blättere in der Chronik und treffe prominente Weggefährten, darunter seinen Freund, den Dresdner Opernsänger und Entertainer Gunther Emmerlich, die Liedermacherin Barbara Thalheim und den Songpoeten Hans-Eckardt Wenzel. Wenn Emmerlich einmal pro Jahr nach Beulbar kam, lauschten ihm 500 Leute. Das Filmporträt von Torsten Eckold zeigt Orge auch bei einem Auftritt im Alten Dorfsaal von Ulla.

„Wenn ich lache, dann habe ich geweint / und wenn ich weine, bin ich froh / dass mir zuweilen auch die Sonne scheint“, heißt es bei Villon. Orges fröhlicher Bass vertreibt die Traurigkeit.

Zurawski, verriet er einmal, sei polnisch und bedeute Kranich. Auch wenn er neben seinem Sohn in der Erde ruht, wird Orge sich in mancher Nacht erheben, mit uns um die Feuerschale sitzen und singen: „Der Mond ist aufgegangen …“