Frank Quilitzsch über Orientierungsprobleme in seiner Geburtsstadt.

Neues Navi, neues Glück. So dachte ich. Das Ding sieht super aus und spricht höflich mit mir: „Sagen Sie eine Adresse in Deutschland!“

„Halle an der Saale“, sage ich.

„Nennen Sie die Straße und Hausnummer!“

„Kaulenberg 1.“

Dort, in Jonas Schüttes Volksbühne, wollen Thomas Thieme und ich am Abend aus unserem Buch „Ich Hoeneß Kohl“ lesen. Die Route wird berechnet.

Von Erfurt bis ins Zentrum meiner Geburtsstadt ist es eine flotte Stunde, dann sehe ich das Ziel auf dem Display vor mir. „Biegen Sie links ab“, sagt das Navi, aber da sind Poller. „Biegen Sie rechts ab“, sagt das Navi, doch da beginnt die Fußgängerzone.

Ich fahre im Kreis und stoppe abrupt, weil mein Handy klingelt.

„Herr Quilitzsch, wo sind Sie?“

Thomas Thieme hat sich, von Berlin kommend, dem Kaulenberg von der anderen Seite genähert und steckt ebenfalls fest. „Mein Navi sagt, ich soll weiterfahren, doch da ist Baustelle“, sagt Thieme. Ich sage, dass ich auch nicht durchkomme und Jonas anrufe. „Ja, tun Sie das. Ich lass mein Auto stehen und setz mich in die Pizzeria. Bitte holen Sie mich dort ab.“

Ich lenke meinen Ford in die Tiefgarage am Händelhaus. „Sie fahren in die falsche Richtung“, warnt das Navi, dann reißt die Satellitenverbindung ab.

Zu Fuß sind es nur zehn Minuten. Eine Viertelstunde brauchen Jonas und ich, um Thomas Thieme zu finden. Es gibt im Umkreis ein halbes Dutzend Pizzerias, und sein Handy ist permanent besetzt.

Die Lesung ist ausverkauft. Wir plaudern über Thiemes Sturm-und-Drang-Zeit. Peter Sodann hatte ihn einst von Görlitz-Zittau über Magdeburg in die Saale-Stadt geholt, von wo Thieme 1984 in den Westen ging. Jetzt, nach 36 Jahren, kehrt er als Theater- und Filmstar nach Halle zurück. Peter Sodann grüßt übers Telefon. Der sei „eine Art Ziehvater“ für ihn gewesen, erklärt Thieme gerührt. „Ich war ja schon mit 18 ohne Vater.“

Am nächsten Morgen tappe ich fremd über den Hallenser Marktplatz und versuche, mich an meine Kindheit zu erinnern. Warum, frage ich mich, habe ich nie, als das noch möglich war, an Vaters Seite meine Geburtsstadt besucht?