Frank Quilitzsch über Vorzüge und Nachteile altersbedingter Schwerhörigkeit.

„Hör’ mal, Liebster…“

Ich kann nichts dafür, doch bei dieser Anrede schrillen bei mir die Alarmglocken. Wenn K. so spricht, will sie etwas von mir. Noch ist nicht klar, welcher Art das Verlangen ist. Es kann Erfreuliches, aber auch weniger Erfreuliches bedeuten, etwas, das Aufwand oder sogar Arbeit erfordert. Wie also reagieren? Am besten, erst mal gar nicht.

„Sag mal, mein Lieber…“

Der Ton gleitet eine Oktave höher. Hab’ ich das noch gehört?

K. steht in der Küche und säuselt auf mich ein. Ich sitze am Schreibtisch und tue weiterhin so, als sei ich beschäftigt, kann mich aber nicht mehr richtig konzentrieren. Gleich, denke ich, folgt die nächste Eskalationsstufe. Schon unterbricht sie sich mitten im Satz und ruft:

„Sag mal, Liebling, hörst du mir überhaupt zu?!“

Ihre Tonlage ist jetzt so hoch, dass ich die Worte nicht mehr wahrnehme.

Das ist kein böser Wille, sondern ein ärztlich attestierter Gehörschaden. „Sie hören die hohen Töne nicht“, hatte bei der Auswertung des jüngsten Tests die HNO-Ärztin zu mir gesagt. Ein schlecht vernarbtes Übel aus frühen NVA-Tagen; bei meinem ersten und zugleich letzten Übungsschießen mit der Kalaschnikow hatte ich ein Lärmtrauma erlitten. Ich blickte die Ärztin erschrocken an. „Ist das schlimm?“ Sie zögerte einen Moment und meinte, ob gut oder schlecht, hänge ganz von einem selber ab.

Lange habe ich über ihre Worte nachgedacht. Jetzt weiß ich: Das Altern lässt sich nicht aufhalten, aber man kann das Beste daraus machen. Nur bin ich, leider, nicht immer Herr der eigenen Lage.

Zum Beispiel neulich beim Telefonat mit Thomas Thieme. Da spreche ich naturgemäß immer ein bisschen lauter, denn er ist 70, und in diesem Alter hört man ja nicht mehr so gut. Doch diesmal war ich es, der missverstand. Dabei hat Thieme keine allzu hohe Stimme.

Wir sprachen über den neuen Kinderfilm „Max und die wilde 7“, der gerade entsteht, und über seine fünf Jahre ältere Drehpartnerin Uschi Glas, die mal in jungen Jahren ein aus vielen Puzzleteilen bestehendes Sammelposter in der „Bravo“ hatte. Thieme sagte „Starschnitt“, und ich verstand „Haarschnitt“.

Was er denn im Film für einen Haarschnitt habe, fragte ich neugierig zurück, was der Schauspieler überhörte.

Ich glaube, wir nehmen beide nicht mehr ganz so viel wahr wie früher, was aber wirklich am Alter liegen könnte. Unsere Lesungen aus „Ich Hoeneß Kohl“ beschließen wir neuerdings mit einem Sketch der beiden Greise aus der Muppet-Show. Da sagt Waldorf (ich) zu Statler (Thomas Thieme): „Mit den Jahren gefällt mir Ihre Stimme immer besser.“ Darauf Statler: „Weil ich immer besser werde?“ – „Nein, weil mein Gehör immer schlechter wird.“

Darüber können wir beide entspannt lachen. Noch. Denn irgendwann hören wir damit auf, die Muppet-Show nachzuspielen. Dann sind wir die Muppet-Show. Wehre den Anfängen, sage ich mir, und spitze die Ohren. K. steht in der Küche und schweigt.

„Hast du was zu mir gesagt, Liebling?“