Frank Quilitzsch kann auch längerfristig auf den Friseur verzichten.

Macht der Aufenthalt im Homeoffice asozial? Diese Frage muss in diesen Zeiten jeder für sich beantworten. Bislang habe ich der Versuchung, mein Arbeitszimmer morgens im Schlafanzug zu betreten, erfolgreich widerstanden.

Zwar muss ich nur zwei Treppen hinunter, aber ich könnte im Hausflur unserer im Homeurlaub weilenden Obermieterin begegnen. Also dusche ich täglich, rasiere mich und kleide mich leger. Von Zeit zu Zeit schneide ich mir sogar die Fingernägel, damit ich beim Schreiben nicht an der Tastatur hängen bleibe.

Die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen habe ich seit Wochen nicht mehr gesehen. Wenn wir unsere Telefonkonferenzen abhalten, stelle ich mir vor, wie sie im Jogginganzug auf der Couch liegen, abwechselnd auf ihre Monitore und auf den Fernseher schauen, Kaffee oder Likörchen schlürfen, ein bisschen mit der Maus klicken und mit der freien Hand die quengelnden Kinder verscheuchen. Vielleicht täusche ich mich auch, es lässt sich ja nicht überprüfen.

Ist auch nicht weiter schlimm. Schlimm wird es erst, wenn man mal sein Zwangsrefugium verlässt und auf der Straße angestarrt wird. Neulich, als ich zu Edeka wollte, presste sich eine Dame – sie war in meinem Alter – vor mir an die Hauswand. Ich glaubte, es wäre wegen Corona. Doch als sogar entgegenkommende jüngere Männer vor mir demonstrativ den Bürgersteig wechselten, habe ich daheim mal in den Spiegel geschaut.

Oh je, die Haare!

Vor zweieinhalb Monaten habe ich einen Termin bei der Friseurin meines Vertrauens verstreichen lassen, und nun kriege ich keinen mehr. K. und E. weigern sich, Hand an meine Mähne zu legen. Also lass ich sie wachsen.

Stört ja auch niemanden. Bei der Arbeit trage ich ein Stirnband und im Bett das schwarze Haarnetz von meinem Vater. Falls sich die Homearbeit noch ein paar Monate hinzieht und ich konsequent auf die Haarwäsche verzichte, werde ich bald wieder aussehen wie mit sechzehn. Als Teenager hatte ich schulterlanges, speckiges Haar, Schlaghosen und Kofferheule.

Wo ist eigentlich meine Schlaghose? Und wo ist mein Transistorradio? Wollen doch mal sehen,
wie die Damen erbleichen.