Karsten Jauch über das Erinnern an Max Weber.

Die Universität Heidelberg widmet das Studium Generale in diesem merkwürdigen Sommersemester einem großen Thüringer – Max Weber, der in Erfurt geboren wurde und als Klassiker der Soziologie gilt. Anlass für die Vorlesungsreihe war der 100. Todestag am 14. Juni. Weil die Vorlesungen vor Publikum coronabedingt entfallen sind, werden sie im Netz übertragen. In den Referaten werden verschiedene Lebensbereiche untersucht, zum Bespiel die Beziehung Max Webers zu seinem Bruder als Konkurrenten in Wissenschaft und Liebe.

In dieser Woche hat die Bielefelder Historikerin Ingrid Gilcher-Holtey die Ehe mit Webers Frau Marianne analysiert. Sie nennt es eine „Gefährtenehe“ und sieht darin das „Modell einer intellektuellen Paarbeziehung“, das von 1880 bis in die 30er-Jahre des 20. Jahrhunderts Paare in ganz Europa beeindruckt hat. Und so sah sie aus: Die Partnerwahl folgt einem rational begründeten Entwurf. Die Kritik an der Institution Ehe wird in sprachmächtigen Gruppen verbreitet. Dabei setzen sich die Protagonisten ihr Kapital, ihre Ehe, symbolisch ein.

Gelungen ist das im Hause Weber nur zum Teil. So räumt die Historikerin ein: „Für ein Studium in der Schweiz wie bei Rosa Luxemburg war Marianne nicht mutig genug.“ Dennoch schrieb Frau Weber nach der Heirat 1893: „Ich will nicht in der Küche eingesperrt sein und die Wissenschaft als meine Feindin sehen.“

So wird Marianne tatsächlich zur wissenschaftlichen Begleiterin ihres berühmten Mannes. Und offenbar verstanden sie es auch, ihre Umgebung zu provozieren. Im Jahre 1894 trat Max Weber seine erste Professur in Freiburg an. In der Wohnung hing das Paar erotische Radierungen von Max Klinger aus, die die Kollegen anstößig fanden. In der eigenen Ehe, so schildert es die Historikerin Ingrid Gilcher-Holtey, sah Max Weber eher eine „abstrakte Frauenfrage“, in der es die Sinnlichkeit eher schwer hatte.

Das Video aus dem leeren Hörsaal ist wirklich interessant. Schauspieler lesen aus Originaltexten vor, was die Vorlesung fast zu einer Show macht.

www.uni-heidelberg.de/de/heionline