Frank Quilitzsch über das Leben nach dem Klima-Urteilsspruch.

Morgens begrüßt sie mich und abends wünscht sie mir eine gute Nacht: meine neue Zahnbürste. Ihr Griff ist aus kompostierbarem, schnell wachsendem Moso-Bambus, die Borsten basieren auf ressourcenfreundlichem Rizinusöl. Sie haben, stand auf der umweltschonenden Verpackung, ein veganes, Panda-freundliches Produkt gekauft, das nicht mit dem Flugzeug oder dem Schiff, sondern mit dem Zug zu mir gereist sei. Man arbeite in kleinen Produktionsstätten und fördere lokale Betriebe.

Ich muss ja nicht gleich auf jede Flugreise, jede Autofahrt und meine gelegentliche Rostbratwurst verzichten, um nachhaltiger zu leben. Besser, ich fange erst mal klein an. Ehrlich gesagt: Von ganz allein hätte ich es wohl niemals geschafft, meine Plastik- durch eine Bambus-Zahnbürste zu ersetzen. Um Gewohnheiten zu ändern, bedarf es oft eines Anstoßes von außen. In diesem Falle kam er von meiner vegan lebenden Ziehtochter T. und vom Bundesverfassungsgericht.

Letzteres hat, falls das in der Corona-Öffnungseuphorie ein bisschen untergegangen sein sollte, gerade ein bahnbrechendes Urteil gesprochen: Wir dürfen nicht länger auf Kosten unserer Kinder und Enkel leben!

Geklagt hatten Fridays for Future, Greenpeace, die Deutsche Umwelthilfe und der BUND. Und schwupp, sitzt eine junge Grüne mit in der Kanzlerkandidaten-Runde und lässt ihre Kontrahenten, alte graue Parteimänner, noch ein bisschen grauer aussehen.

Ich weiß nicht, was die Jüngeren reißen können, ich habe schon Mühe, ihrem Sprechtempo zu folgen. Klar aber ist, dass wir für den Klimaschutz mehr geben müssen, damit wir nicht alles verlieren. Und im Wahlkampf zaubert natürlich jeder gern was aus dem Hut. Wenn ich aber unseren nachhaltig auf Kosten der Enkel Politik machenden Finanzminister von wasserstoffgetriebenen Billigfliegern fantasieren höre, die uns bald nach Mallorca bringen sollen, sage ich mir: Putzi, bleib’ bei deiner Bürste.