Karsten Jauch über eine neue Ausstellung in Nürnberg

Tous les deux“. Mit diesen Worten wird Hans Castorp auf dem „Berghof“ von einer Frau empfangen, deren Söhne gestorben sind. Alle beide, tous les deux. Vor fast 100 Jahren erschien Thomas Manns „Zauberberg“, der Leben und Sterben in einer Lungenklinik in Davos beschreibt. Die Abgründe der in diesem Roman geschilderten schwindsüchtigen Gesellschaft haben viel zum Mythos Davos beigetragen. Der optische Impuls kam vom Maler Ernst Ludwig Kirchner, der 1917 nach Davos übersiedelte und eine ähnliche Odyssee von Sanatorien-Aufenthalten erlebt hat.

Dem künstlerischen Kraftfeld Davos widmet jetzt das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg eine ganze Ausstellung „Europa auf Kur“ heißt die Schau, die an diesem Freitag eröffnet wird – zunächst als „Digital Story“, wie eine Sprecherin des Museums im Gespräch mit dieser Zeitung sagte. Und ja, der Titel passt irgendwie in die Zeit. Denn, wenn die Seuche unserer Zeit gezähmt ist, dann kann man die Ausstellung auch analog erleben.

Sieben Ausstellungskapitel ziehen Verbindungslinien zwischen Medizin- und Kurgeschichte, Wintersport, Kunst und Literatur, Philosophie und Politik. Mit mehr als 200 Exponaten, darunter 45 Werke Kirchners, die zu den bedeutendsten seiner Davoser Jahre zählen, eröffnen sie einen neuen Blick die Zeit der Jahrhundertwende.

Unerwähnt bleibt in dieser Erzählung hingegen die wichtige Rolle Jenas. Denn es war der Jenaer Kunstverein, der Ernst Ludwig Kirchner den Weg ebnete – und seine Arbeiten ausstellte. 1914 gab es die erste große Schau des Malers. Aus Dankbarkeit schenkte er dem Verein später 260 Holzschnitte, Radierungen und Lithographien. 1937 wurde diese Sammlung als „Entartete Kunst“ beschlagnahmt. 1994 erinnerte dann die Kunstsammlung Jena auch an diese Vergangenheit.

Die Ausstellung hieß damals „Von Jena nach Davos“.