Elena Rauch hat ungebetene Gäste.

Samstagmorgen, man sitzt tiefenentspannt beim Frühstück. Dann raschelt es hinter dem Rücken. Kein sanftes Rascheln, eher ein forderndes Kratzen und Schaben. Das Geräusch kannte ich noch vom vergangenen Sommer. Wir wohnen unterm Dach, im Mauervorsprung hinter dem Fenster ist ein Loch. Dort zog eine Stadttaube ein, bei schönem Wetter krallte sie sich an die Fensterkante und genoss die Aussicht. Das muss sich herumgesprochen haben, es wurden immer mehr. Herr K., ein begnadeter Handwerker, kam und verschloss das Loch mit einem Blech. Tauben in Reichweite verursachen bei mir Panikattacken, was soll ich machen. Im Herbst bauten Monteure neue Fenster ein, dabei muss das Blech entfernt worden sein. „Sie sind wieder da!“, brüllte ich also, und ließ mein Brötchen fallen.

„Zwischen dir und den Tauben ist eine Mauer“, dozierte mein Mann. „Zwischen mir und den Tauben ist ein Meter Luftlinie“, jammerte ich. „So kann ich nicht wohnen!“ Er schwieg und nahm sich seelenruhig noch einen Kaffee. Als ob gar nichts wäre. In echten Notlagen kann ein Mann einen ganz schön hängen lassen. Die Blechlösung scheint mir inzwischen riskant. In Langenfeld läuft gerade ein Verfahren gegen eine Frau wegen Verletzung des Tierschutzgesetzes, weil sie 60 Mäuse ausgesetzt hat. Was machen sie erst mit mir, wenn das rauskommt? Wegen der Corona-Krise fordert eine Petition das Aussetzen des Taubenfütterungsverbots in den Städten. Weil in den leeren Innenstädten kaum noch jemand Reste von Pizza und Bratwurstbrötchen auf den Boden krümelt, finden sie nichts mehr zu fressen.

Mehr als 25.000 Menschen haben schon unterschrieben. Die Zeit arbeitet gegen mich. Ich bestellte im Internet ein Ding, das per Ultraschall Tauben vertreiben soll. Aber vielleicht wissen sie inzwischen, wie man daraus ein Telefon baut und vernetzen sich vor unserem Fenster zum Gegenangriff. Im Zoo von Brünn, las ich kürzlich, lassen sie Schimpansen inzwischen per Videoschalte miteinander kommunizieren. Tiere sind lernfähig. Dann bleibt mir nur noch Herr K. und ein Blech. Tauben machen es einem schwer, ein guter Mensch zu sein.