Elena Rauch über Nähe und Distanz.

Unlängst taten wir, was wir sonst fast nie tun: Wir spielten ein sog. Brettspiel. Die Töchter waren da, und wir wollten einen schönen gemeinsamen Abend. Die Allzweckwaffe „Mensch ärgere dich nicht!“ langweilt mich, Skat habe ich noch nie verstanden. Blieb noch das „Spiel des Wissens“, das hatten wir für die Urlaubswoche mit Enkel Emil gekauft. Es gibt zwei Schwierigkeitsstufen, aber jetzt wurde es ernst, die Töchter sind schon groß. Und genau das war das Problem, wer will schon vor seinem Kind als Versager dastehen. Schon die erste Frage war ein Reinfall, mir fiel der Name des Glöckners von Notre Dame nicht ein. Ich schwöre, ich kenne ihn. Aber unter diesem Erwartungsdruck kann man selbst den Namen der eigenen Großmutter vergessen.

Das glaube ich jetzt nicht!, rief er aus. Männer können so empathisch sein. Ich revanchierte mich mit einer Frage nach Flusshaien im Ganges. Dafür zog er für mich die Frage nach dem „Hubraum für Turbomotoren in der Tourenwagen-WM“ aus dem Stapel. Aber das, verkündete er bei der nächsten, musst du jetzt einfach wissen! Das sagt du, um den Druck zu erhöhen, zischte ich böse zurück. Da ist doch nur ein Spiel, bemerkte er. Nein, das ist ein Test, rief ich wütend. Die Nerven lagen blank, das liegt am Lockdown, sagte ich mir. Unterdessen zogen unsere Töchter an uns vorbei, die Jugend hat eben die besseren Karten.

Ich erzähle das so ausführlich, weil vor einer Zunahme der Beziehungsprobleme gewarnt wird. Paarberater sprechen von einem Ungleichgewicht zwischen Nähe und Distanz. Man könnte natürlich still auf der Couch sitzen und ein Buch lesen, über Flora und Fauna des Ganges zum Beispiel. Aber Therapeuten mahnen zum Gemeinsamen, damit der Faden nicht abreißt. Früher konnte man vom Bürotag berichten, aber im Homeoffice bekommt man schon jedes Telefonat in Echtzeit mit. Was also tun, wenn auch die letzte drittklassige Netflix-Serie angeschaut ist?

Tun Sie, was Ihnen einfällt. Kaufen Sie ein zweites Bügelbrett und bügeln synchron. Lernen Sie Querflöte oder Mandarin. Aber lassen Sie die Finger von Brettspielen.