Elena Rauch über altes Kulturgut.

Unlängst sorgte ein Schriftstück für Lacher in den sozialen Netzwerken: Es handelte sich um einen Einkaufszettel mit lauter Lebensmitteln, die erst noch erfunden werden müssen (u. a. kernlose Erdbeeren und Weizenverdünner). Eine genervte Frau, sie heißt Karen, hatte ihren Mann damit in den Supermarkt geschickt, um eine Weile ihre Ruhe zu haben.

Wir distanzieren uns selbstverständlich vor solchen unlauteren Mitteln. Aber dies ist eine gute Gelegenheit, an die Bedeutung des alten Kulturguts Einkaufszettel zu erinnern. Das Auswendiglernen eines Einkaufszettel gilt in der Psychologie als klassisches Experiment, um kognitive Verzerrungen zu erforschen. In der genderübergreifenden Kommunikation steckt er voller Brisanz.

Millionen Frauen schicken ihre Männer mit einem Einkaufszettel in den Supermarkt. Allein das kommt einer tiefen Demütigung gleich, er ist ein untrüglicher Beweis häuslicher Befehlsgewalten. Ein Mann, der gewohnt ist, Situationen messerscharf zu analysieren und autarke Entscheidungen zu treffen, wird zum willenlosen Untergebenen. Weshalb das Konzipieren eines Einkaufszettels viel Empathie erfordert.

„Etwas Schönes zum Abendessen“: Keine Frau, die bei Sinnen ist, würde ihrem Mann so etwas auf den Einkaufszettel schreiben. Sofern es ihr nicht wie Karen geht, muss sie konkreter werden. Aber das ist eine Gratwanderung. Mit verlässlichen Konstanten wie Mischbrot, Milch und XXL-Steaks riskiert sie nicht viel.

Doch sobald sie Dinge wie Kurkuma, Pastinaken oder Farfalle auf den Zettel schreibt, zwingt sie ihn zu entwürdigenden Offenbarungen vor dem Verkaufspersonal. Manche Frauen bebildern die Einkaufszettel oder liefern zur Sicherheit Lageskizzen von den Regalen mit. Klarer können sie nicht ausdrücken, was sie von seiner Kompetenz halten.

Wenn ein solches sensibles Dokument in die falschen Hände gerät, ist sein Ruf ruiniert. Einkaufszettel gehören zu den gefährlichsten Waffen einer Frau.