Elena Rauch über Geschlechterklischees.

Es war vor einigen Wochen, im Fernsehen zeigten sie die Tour de France. Ich lief ein paar Mal zwischen ihm und dem Fernseher vorbei, er bemerkte mich gar nicht. Und, fragte ich, wie läuft es denn diesmal so? Eine erfahrene Frau kennt schließlich die Themen, die ihren Mann umtreiben und zeigt Anteilnahme. Er aber sah mich nur mit weidwundem Blick an und raunte heiser: Gar nicht. Sie fahren nicht. Corona halt. Es war eine Aufzeichnung vom vergangenen Jahr, die da lief. Der Juli hatte in diesem Jahr seinen Sinn verloren.

Die Tour wird nachgeholt. Aber es ist ein schönes Beispiel dafür, dass auch Männer Gefühle zeigen können, wenn das Schicksal zuschlägt. Sie halten sich auch an andere Klischees nur noch mäßig. Bei uns zum Beispiel ist er es, der im Winter beharrlich die Vögel füttert. Statistiken belegen, dass uns Männer inzwischen sogar dabei sind, uns bei der morgendlichen Verweildauer im Bad einzuholen. Wir schlagen sie nur noch um zwei Minuten. Ich darf auch kein Lammbraten und keine Kalbsschnitzel machen, er sagt, er isst keine Tierkinder. Er ist auch, der bei uns auf ökologischen Verbrauch von Strom und Wasser achtet. Greta ist bei uns männlich.

Männer können nicht einmal, anders als stets angenommen, besser einparken als wir. Sie finden schlechter eine Lücke und müssen viel länger nachjustieren. Das hat die Auswertung von Videos auf 700 Großparkplätzen zweifelsfrei ergeben. Um das zu verschleiern, haben sie Autos erfunden, die von allein einparken. Klischees halten nicht mehr, was sie versprechen. Dafür reichen Frauen mehrheitlich die Scheidung ein. Männer werden auch nie verstehen, wie sich eine Frau emotionslos von ihrem alten Auto trennen kann.

Im September, wenn die Tour de France nachgeholt wird, sind wir im Urlaub. Ich weiß noch nicht wo, aber sicher nicht dort, wo unser Fernseher wohnt. Ihm ist das wahrscheinlich noch gar nicht klar, ich werde mich hüten darauf hinzuweisen, sonst bleiben wir zu Hause. Frauen sind skrupelloser als ihr Ruf.